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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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ein Früchtebrot auf zwei Beinen.« Sie hielt inne, woraufhin ich das Bedürfnis unterdrücken musste, sie zum Weiterreden zu drängen. Also war mein Verdacht richtig. Maxwell hatte, aus welchen Gründen auch immer, eine Affäre mit Angel.
    »Ich weiß, warum Pearl das unterstützt.« Violet spürte, dass sie nun meine volle Aufmerksamkeit besaß, und fuhr triumphierend fort. »Sie hat es mir gesagt. Sie will frei sein, um ihre eigene Affäre mit diesem stinkenden Fischer fortsetzen zu können.« Sie schnaubte vor Lachen. »Sie hat mir erzählt, er sei wirklich ein unglaublicher – also, ich kann mich an das genaue Wort nicht mehr erinnern, das sie verwendet hat, aber sie meinte Liebhaber. Ja! Das hat sie gesagt! Schau mich nicht so an! Sie ist schon unglaublich, was? Ich glaube, sie hat auch mal versucht, eine Affäre mit mir anzufangen. Sie hat mich unter irgendeinem Vorwand in ihr Schlafzimmer hinaufgelockt und …«
    Ich hatte genug gehört. Rasch unterbrach ich die schmutzige Geschichte, die sie mir anvertrauen wollte, mit der kurzen Frage, ob ihre Mutter sie wohl inzwischen suche. Und was ihre Mutter wohl davon halten würde, wenn sie wüsste, dass Violet die Angestellten von ihren Pflichten abhielt.
    Das dumme Ding zog schließlich ab, aber nicht ohne vorher zu kommentieren, wie rot mein Gesicht war, und mir zu versprechen, dass sie mir auf Blackness ein »Geheimnis« zeigen wolle, das mir ganz sicher gefallen würde. Sie küsste mich zum Abschied auf eine unangenehm anhängliche Art. »Ich bin ja so froh, dass du zum Arbeiten hierhergekommen bist, Birdie. Es ist einfach unsagbar trist, wenn ich nur mit Mutter, der Langweilerin, hier bin. Es ist seltsam – ich hab dich immer für öde und eine alte Jungfer gehalten, aber jetzt hab ich das Gefühl, wir können Freundinnen sein. Ich vermisse meine Freundinnen von der Schule, und Pearl ist so mit ihrem Fischer beschäftigt. Wir werden doch Freundinnen, nicht wahr, Birdie? Da wird Pearl aber überrascht sein, wenn wir auch gute Freunde werden!«
    Ich bestätigte, dass Pearl in der Tat überrascht sein würde. Violet hob die Arme über den Kopf, drehte eine langsame Pirouette und warf sich für mich in Pose. Sie wusste, dass ich sie in diesem Moment schön fand. Mit ihren blonden Locken und dem Porzellanteint glich sie einer kleinen Puppe, die im Sonnenlicht auf dem Rasen tanzte. Dann rannte sie zurück zum Haus, wobei sie mir Luftküsse zuwarf und versprach, morgen ihr »Geheimnis« zu enthüllen. Ich muss zugeben, dass ich keinen zweiten Gedanken an dieses Versprechen verschwendete. Es erschien mir wie die kindischen Spiele eines jungen Mädchens, das viel zu viel Zeit und einen leeren Kopf hatte, den sie mit Phantasien füllte. Wenn überhaupt, dann erwartete ich ein Sammelbuch voller Bilder von Filmstars oder irgendeinen Unsinn dieser Art.
    Und doch, als ich zusah, wie sie in den Schatten von Blackness House verschwand, kamen mir plötzlich einige Zeilen von William Shakespeares Romeo und Julia in den Sinn:
    Werd ich dann nicht in dem Gewölb ersticken,
    Des giftger Mund nie reine Lüfte einhaucht,
    Und so erwürgt da liegen, wann er kommt?
    Und leb ich auch, könnt es nicht leicht geschehn,
    Dass mich das grause Bild von Tod und Nacht
    Zusammen mit den Schrecken jenes Ortes
    Dort im Gewölb in alter Katakombe,
    Wo die Gebeine aller meiner Ahnen
    Seit vielen hundert Jahren aufgehäuft,
    Wo frisch beerdigt erst der blutge Tybalt
    Im Leichentuch verwest; wo, wie man sagt,
    In mitternächtger Stunde Geister hausen –
    Weh, weh! – könnt es nicht leicht geschehn, dass ich,
    Zu früh erwachend – und nun ekler Dunst,
    Gekreisch wie von Alraunen, die man aufwühlt,
    Das Sterbliche, die’s hören, sinnlos macht …
    Es war, als hätte sich ein Schatten auf mich herabgesenkt, und auf einmal kam es mir vor, als wären Schönheit, Jugend, Freundschaft und Sonnenschein allesamt vergänglich. Ich sah die Wahrheit: Die Menschheit drückt der Erde einen unbeständigen Stempel auf. Wir sind lebende Gespenster, armselige, verschwommene Träume unserer selbst, glauben, jeder Moment daure ewig, und sind doch so substanzlos wie Wolken.
    Während ich dort saß, waren die Stimmen der Arbeiter beim Haus lauter geworden. Ich blickte hinüber, da ich einen Streit vermutete, und sah einige Männer vom Anwesen fortgehen. Sie kamen aus der alten Kapelle, die Mr Hellyer nach dem Tod seiner Frau erbaut hatte. Mrs Bydrenbaughs jüngster Beschluss, die Kapelle als Außenraum für

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