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Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Stück neben ihnen, als gehörte ich eigentlich nicht zur selben Gesellschaft. Als sei ich der Leibwächter des Präsidenten und der Präsident auf dem Heimweg nach einem Wochenende auf dem Lande.
    Er fuhr einen neuen schwarzen Saab. Ich bekam ein Gefühl als sei ich unterwegs zu einer Beerdigung. Vielleicht war ich das auch. Manches geschieht ja so schnell in diesem Leben.
    Wir setzten uns ins Auto: Lisa und ihre Mutter auf die Rückbank, der Vater und ich vorne. Keiner von uns sagte ein Wort auf dem Weg in die Stadt. Der Flughafenzubringer glitt monoton unter uns dahin; die Landschaft in Fana breitete sich um uns herum aus, grün und üppig, glänzend von Regen.
    Wir fuhren über Birkelundsbakken, und der Saab wechselte nicht einmal den Takt. Er fuhr wie eine elektrische Uhr: Man hörte ihn nicht. Ich dachte an mein eigenes Auto, das fast den Geist aufgab, wenn ich versuchte, Birkelundsbakken zu überwinden. Vielleicht war jemand so barmherzig gewesen und hatte es während meiner Abwesenheit gestohlen. Aber das war wenig wahrscheinlich. Schrottlauben liegen nicht so hoch im Kurs.
    Sie wohnten in einer dieser alten Villen in Kalfarlien, mitten im Herzen des alten Oberklasseviertels. Es war eines dieser hoch gewachsenen Häuser, die, wenn man sie von außen betrachtet, aussehen, als seien die Räume mindestens vier Meter hoch und der Weg zur Toilette einen Kilometer lang. Wenn man hineinkommt, sind sie allerdings nichts weiter als viel zu groß und viel zu kalt für die flach gedrückten Möbel und die kleinen Menschen, und die Bilder an den Wänden erinnern an Briefmarken.
    Draußen im Garten wucherten üppige Rhododendronbüsche, deren Blüten noch nicht geöffnet waren. Der Frühling war in diesem Jahr ungewöhnlich spät gekommen. Auf dem Fløien hatte noch bis weit in den Mai hinein Schnee gelegen. Die Garage bot Platz für zwei Autos, aber es stand nur eins da. Das Garagentor schloss sich automatisch hinter uns, und wir gingen durch eine Seitentür hinaus. Von dieser Tür aus führte ein Kiesweg zum Hauseingang. Die Kiesel waren weiß wie Marmorsplitter. Der Rasen auf beiden Seiten des Weges war so kurz und wohl getrimmt, wie ich es schon seit Jahren nicht einmal mehr im Nacken war. Das Haus war weiß gestrichen, die Fenster waren hoch wie die einer Kirche. Ich sah, dass Lisa schauderte, als sie sich der Tür näherte.
    Es stand nur ein Name auf dem Türschild: Niels Halle Jr. Das Junior konnte entweder Bluff sein oder auch das Gegenteil, und in dem Fall bedeutete es, dass es einmal einen einflussreichen Senior gegeben hatte, und dass der Senior vielleicht auch einmal Junior gewesen war, und so weiter, bis zurück zur Entstehung der Welt und aller Banken.
    Es regnete noch immer. Die Nässe legte sich wie Spinnweben auf unser Haar, aber die Luft war lau, es mussten fast zwanzig Grad sein.
    Drinnen war es kalt. Wir kamen in eine große, leere Halle, von der eine breite Treppe in den ersten Stock führte und große doppelflügelige Türen sich zu einer Kette von Wohnzimmern öffneten, drei an der Zahl und das eine größer als das andere. In einem stand ein Klavier, in dem anderen ein großer, viereckiger Tisch mit einem Ecksofa und großen, breiten Sesseln drum herum, und in dem dritten stand ein Esstisch, der schrecklich alt und furchtbar glatt aussah. Wenn man auf diesem Tisch eine Erbse fallen ließ, würde sie über die Tischkante hüpfen, bevor man sie mit der Gabel aufspießen konnte, und man würde es nicht wagen, sie mit der Gabel aufzuspießen, denn die Tischplatte sah nicht aus, als würde sie Kerben vertragen.
    Das Haus wirkte wie eins, in dem man sich leicht einsam fühlen konnte. Jeder konnte für sich allein in seinem Zimmer sitzen und sich mit seinen Sachen beschäftigen. Im einen Wohnzimmer konnte Lisas Mutter am Klavier sitzen und melancholische Präludien aus ihrer Kindheit spielen. Im anderen Wohnzimmer konnte Lisas Vater vor dem Fernseher sitzen und gleichzeitig die Börsenspalten in der Zeitung lesen. Und im dritten Wohnzimmer konnte Lisa sitzen und Kerben in den Esstisch ritzen.
    Lisa und ihre Mutter verließen uns schon in der Halle. Die Mutter sagte: »Wir gehen nach oben und suchen dir saubere Kleider aus. Vielleicht möchtest du duschen?«
    Lisa antwortete nicht, folgte aber ihrer Mutter resigniert die Treppe hinauf.
    Ihr Vater sah ihnen besorgt nach. »Wir gehen hier hinein, Veum«, sagte er und führte mich in das mittlere der drei Wohnzimmer. Er ging zu einem hohen, schmalen Schrank

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