Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
Vom Netzwerk:
dem Boden, und wenn sie sich so nach vorn beugte, spannten sich ihre Brüste prachtvoll. Und sie wusste es.
    Ihre Augen glitzerten. Ich suchte nach etwas, was ich sagen konnte.
    Sie sagte: »Na … schmeckt der Tee?«
    »Mmm.«
    Sie beugte sich noch weiter zu mir. Ich sah die feinen, fast unmerklichen Fältchen um ihre Augen. Ich konnte die Wärme ihres Körpers spüren. Sie sagte leise: »Wie geht es dir – jetzt?«
    Ich zog mich ein wenig zurück. »Dein Mann …«
    Sie leckte sich langsam die Lippen, von einem Mundwinkel zum anderen. »Arve? Er kommt noch lange – nicht nach Hause …«
    Ich griff nach der Teetasse, hielt sie vor mich und sah sie über die Kante der Tasse hinweg an. »Ich meinte …«
    »Hast du keine Lust auf mich?«, fragte sie, und ihre Lippen waren feucht und offen und die Zungenspitze war gerade eben zu sehen.
    Ich setzte die Tasse ab, strich mir mit der Hand über das Gesicht und sagte so trocken ich konnte: »Doch. Hätte ich – wenn es lange her wäre, und es regnete, und ich nichts anderes zu tun hätte …« Sie saß da und sah mich mit unverändertem Gesichtsausdruck an, vielleicht nur ein klein wenig starrer.
    Ich fuhr schnell fort: »Ich meine, dein Mann, ich rede von – seinen Geschäften. Seiner Baufirma. All diesen – Geschäften. Was macht er da eigentlich so?«
    Sie zog sich ein wenig zurück und richtete sich auf. Das machte ihre Brüste nicht weniger schön, aber ihre Augen froren wieder zu. »Was redest du da eigentlich, Veum?«
    »Ich spreche von deinem Mann. Und von seinen Machenschaften. All den – zweifelhaften Geschichten. Von …«
    Sie setzte die Füße auf den Boden und stand auf, mit einer Bewegung, die ihren Oberkörper schwanken ließ. Ihr Gesicht flammte plötzlich auf. »Was zum Teufel bildest du dir eigentlich ein, Veum? Was denkst du eigentlich? Ich dachte, du wärst gekommen, um – um zu reden – und dann fängst du an – dann bist du nur gekommen, um – dann glaubst du, dass du mich dazu kriegen kannst, zu …«
    Ich sagte ganz nüchtern: »Wo war dein Mann gestern Abend, Irene?«
    »Was geht das dich – das kann dir scheißegal sein – das – du … Oh Gott! Wo er gestern Abend war?« Sie hob die Hände vor das Gesicht, verbarg ihre Augen und setzte sich schwer wieder hin, allerdings ein Stück weiter von mir entfernt.
    Die schmalen Schultern zitterten. Die Brüste zitterten. Ein Schluchzen kam aus ihrem weichen, runden Bauch. Ihr wohlfrisiertes Haar hüpfte auf und ab.
    Ich sagte im selben gedämpften Ton: »Tut mir Leid, es dir sagen zu müssen, aber die ganze Geschichte wird jetzt ans Licht kommen. Und wenn du nicht aufpasst, dann gehst du mit ihm den Bach runter. Vielleicht hängst du mit drin.«
    Als sie endlich aufsah, schimmerten ihre Augen feucht, und ein Teil der Wimperntusche war verwischt. Sie sagte: »Nur – nur wegen der Sache mit – Peter?«
    Ich nickte und sagte: »Ja. Vor allem wegen der Sache mit Peter – Werner.«
    Sie registrierte meine Pause zwischen den beiden Namen nicht.
    Ich fuhr fort: »Du kanntest ihn etwas besser, als du es mir letztes Mal erzählt hast, stimmt’s?«
    Sie antwortete nicht.
    Ich sah sie an. Es ist merkwürdig, was mit Gesichtern geschieht, wenn man ihnen die Maske herunterreißt. Vor zehn, fünfzehn Minuten hatte sie mich empfangen – weltgewandt, zögernd, sinnlich, in Erwartung eines kleinen Vormittagsflirts und – vielleicht – noch ein wenig mehr. Sie war schön gewesen, schillernd, verhexend … Und jetzt? Ihre Maske lag zwischen uns auf dem Boden, ihr Gesicht war in Auflösung begriffen, sie war verweint wie ein vierzig Jahre altes Mädchen, und der Tee in ihrer Tasse wurde kalt. So sind die Menschen. Es braucht nicht viel. Im einen Moment sind wir eine Person und im nächsten eine ganz andere.
    Ich sagte: »Hast du von den zwei Suchmeldungen im Zusammenhang mit Peter Werners – Tod gehört?«
    Sie antwortete immer noch nicht.
    »Die eine der beiden Frauen, die ältere von ihnen … Das hättest du sein können, oder nicht?«
    Sie sah mich zwischen ihren gespreizten Fingern hindurch an. Ihre Stimme kam gedämpft hinter den Handflächen hervor und klang belegt. »Doch.«
    »Warst du es?«
    Ihre Hände senkten sich, die Finger fanden einander, flochten sich ineinander: lange, weiße Finger. »Nein!«, sagte sie mit einer plötzlichen Angst in der Stimme. »Ich war es nicht! – Aber du hast gefragt …«
    Ich nickte.
    »Es könnte …«
    Ich sah sie an und wartete. Man konnte sehen, wie sie

Weitere Kostenlose Bücher