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Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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und sah mich direkt an. »Aber ich habe ihn darum gebeten. Er konnte gut – malen. Und ich wollte gern eine – Erinnerung haben.«
    Ich nickte. »Ich verstehe.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Ich versuche es jedenfalls.«
    »Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der das versteht. Nur wer liebt, weiß, wie es sich anfühlt, und wer liebt, ist wohl immer allein.«
    »Nicht immer.«
    »Tja, es fühlt sich jedenfalls so an.«
    Ich ließ es so stehen. In vieler Hinsicht hatte er Recht. Unten am Puddefjord lief der Verkehr wie immer in beide Richtungen. Die meisten Autos fuhren in das schwarze Loch im Løvstakken, um später wie Kobolde aus einer Schachtel draußen im Fyllingsdal wieder aufzutauchen, die anderen bogen nach rechts ab und fuhren Richtung Nordwesten, zu den Stadtteilen um das Lyderhorn.
    Ich sagte leise: »Hattet ihr ein Verhältnis?«
    Er schluckte schwer. »Nein.«
    Ich wartete.
    Er sagte: »Wir nicht. Er nicht. Aber ich. Ich hatte ein Verhältnis mit ihm, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich! Hier drinnen!« Er legte mit einer theatralischen Geste eine Hand auf seinen Kopf, dann auf das Herz.
    »Ich glaube immer noch, dass ich es verstehe,« sagte ich.
    »Tja.« Er zuckte heftig mit den Schultern, warf die Arme hoch. »War es das, was Sie wissen wollten?«
    »Du warst eifersüchtig? Auf all seine Frauen?«
    »Eifersüchtig? Natürlich war ich eifersüchtig. Haben Sie schon mal von jemandem gehört, der liebt, ohne eifersüchtig zu sein?«
    Sein Gesicht war hager, nervös, jung, und er hatte etwas Furchtsames im Blick, was immer da gewesen war, weil er sich daran gewöhnt hatte, mit gesenktem Kopf zu leben, immer mit der Angst vor Fragen, nie sicher, wie andere reagieren würden, immer unsicher, was seine Umgebung anging.
    »Aber er hat also dieses Bild gemalt?«
    »Ja. Peter war – nett. Ich glaube, er – verstand … Ein Mal hat er erzählt, dass er – dass er auch mit – Männern zusammen war. Um Geld zu verdienen.« Er schauderte leicht. »Das könnte ich niemals. Ich – danach habe ich geträumt, dass wir – dass wir uns …« Mit einer heftigen Bewegung riss er sich von den Träumen los, die er einmal gehabt hatte. »Ja! Er hat das Bild gemalt, und dann ging er. Es ist jetzt lange her, dass ich ihn zuletzt gesehen habe.«
    »Hat er dir jemals von seiner Schwester erzählt?«
    »Von der, die so altklug war? Ein paar Mal, ja. Sie nahm sich wohl ziemlich ernst, aber ich glaube, er hatte sie trotzdem gern.«
    »Nie von einer anderen Schwester – einer Halbschwester?«
    Er sah mich nachdenklich an, erleichtert darüber, dass sich das Gespräch nicht mehr um ihn drehte. »Nein, daran kann ich mich nicht erinnern. Da bin ich ganz sicher.«
    »Tja,« sagte ich. »Dann – danke ich dir. Das war alles.«
    »Tja, ich danke,« antwortete er. Er lächelte nicht. Er hatte keinen Grund zu lächeln. Sein Gesicht war länger als vorher, noch schmaler und noch einen Tick blasser und grauer. Er sollte mal in die Sonne gehen und versuchen zu vergessen, was geschehen war, einen neuen Menschen finden, den er lieben konnte, einen neuen Freund – und Peter Werner vergessen.
    Er ging mit steifen Bewegungen zurück zu seinem Treibhaus. Ich blieb bei dem schwarzen Gitter stehen und sah ihm nachdenklich nach.
    Er hatte mich auf einen Gedanken gebracht. Etwas, das man nicht vergessen sollte. Auch wenn es zwei Frauen waren, die Peter Werner an dem Abend, als er ermordet wurde, in seinem Zimmer besucht hatten, war es doch auch nicht unmöglich, dass ein Mann in das Hotel gekommen war – über den Hof. Und plötzlich gab es ganz neue Perspektiven. Es musste nicht unbedingt ein eifersüchtiger Ehemann sein, es könnte auch ein verschmähter Geliebter gewesen sein. Peter Werner war offenbar ein vielschichtiger Mensch gewesen, und ich hatte mich etwas mehr in die Umstände um seinen Tod eingemischt, als ich es streng genommen durfte.
    Als ich in mein Büro zurückkam, saß tatsächlich jemand in meinem Wartezimmer. Es war Ingelin Werner.

34
    Ich erkannte sie nicht sofort. Sie war gekleidet wie eine erwachsene Frau und trug einen schmalen, schwarzen Samtrock mit einem langen Schlitz auf einer Seite. Darüber trug sie eine kreideweiße Hemdbluse und darüber eine kurze, taillierte Jacke aus dem gleichen Stoff wie der Rock. Auf dem Kopf hatte sie pikant schief eine schwarze Baskenmütze. Sie war diskret geschminkt, mit etwas Schwarz um die Augen und einem schwachen Rosa auf den Lippen. Sie hätte direkt aus einem

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