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Dornroeschenmord

Dornroeschenmord

Titel: Dornroeschenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kalman
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griff nach einem Stapel Rechnungen und verschwand mit einer hastigen Entschuldigung im Hinterzimmer.
    Mandy packte ihre Reisetasche und ging die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Die Luft war muffig und abgestanden, und in seiner spartanischen Anspruchslosigkeit und mit dem dunklen Holzkreuz über dem Bett glich es einer düsteren Klosterzelle. Was für ein Kontrast zu Bergerhoffs glanzvoller Herberge.
    Mandy zog T-Shirt und Jeans aus und legte sich auf das weißbezogene Federbett. Schon bald schlief sie tief und traumlos, bis ihr knurrender Magen sie nach zwei Stunden weckte. Durch das Fenster fiel das fahle Licht einer Straßenlaterne und warf verzerrte Schatten auf den alten Holzdielenboden. Inzwischen war es draußen schon dunkel geworden.
    Erschrocken blickte Mandy auf die Uhr und stellte erleichtert fest, daß es gerade mal halb acht war. Genau die richtige Zeit, um im Dorfgasthof etwas zu essen und den Einheimischen auf den Zahn zu fühlen. Sie schlüpfte in lange Hosen und einen hellen Wollpullover, wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser und flocht die Haare zu einem dicken Zopf. Rasch schnürte sie die Lederstiefeletten und zog die fellgefütterte Lederjacke über. Dann marschierte sie los.
    Eichberg war nicht groß, und Mandy hatte den Dorfgasthof rasch gefunden. Als sie die schwere Holztür öffnete, schlugen ihr rauchgeschwängerte Luft und lautes Stimmengewirr entgegen. Es roch nach Bier, Spießigkeit und Fett. Mit forschem Schritt durchquerte sie den Raum und ließ sich in einer Ecke nieder, aus der sie die übrigen Gäste gut beobachten konnte. Am Nebentisch spielten ältere Männer Schafkopf.
    Mandy sah sich um und bemerkte, daß sie die ganze Zeit verstohlen beobachtet wurde. Warum eigentlich? fragte sie sich. Es gingen doch jeden Tag Leute in ein Gasthaus. Trotz der abschätzenden Blicke blieb sie gelassen und bestellte sich Bier und ein Schnitzel mit Bratkartoffeln, das sie mit gutem Appetit aß. Hinterher orderte sie einen klaren Zwetschgenschnaps. Sie wunderte sich selbst über ihre Gemütsruhe, denn noch am Wochenende waren ihr die Ereignisse der vergangenen Woche ziemlich auf den Magen geschlagen.
    »Na, des hat Ihnen aber gschmeckt«, unterbrach der Wirt ihre Gedankengänge.
    Mandy blickte auf. »Ja, sehr gut«, antwortete sie gutgelaunt, »wie bei meiner Mutter.«
    »Aber von hier sind Se ned.«
    »Da haben Sie recht. Ich komme aus München und recherchiere hier für eine Filmfirma.« Es war wirklich erstaunlich. Genau wie bei der Pensionswirtin löste diese Bemerkung offenbar brennendes Interesse aus.
    »Ja, da sind Se ja eine ganz Gscheite. Un was is des für ein Film?«
    »Wir drehen eine Dokumentation über Richard Grasser. Der stammt doch von hier.«
    Der Wirt verstummte ebenso schlagartig wie die Pensionsinhaberin, und sein Blick wurde mißtrauisch. Eilig räumte er den Tisch ab. Jetzt war Mandys Ehrgeiz erst recht geweckt. Sie nahm ihr halbvolles Glas und schlenderte lässig zum Nebentisch, an dem Schafkopf gespielt wurde.
    »Guten Abend, kann ich mitspielen?« fragte sie mit engelsgleichem Lächeln. Die zerfurchten Gesichter über den Flanellhemden verstummten und blickten sie konsterniert an. Schließlich ergriff einer von ihnen das Wort:
    »Kennste des Spiel denn auch?« fragte er mit gönnerhaftem Unterton und war gleich beim Du.
    »Na klar«, konterte Mandy, »ich habe mit meinem Bruder nächtelang gezockt. Übrigens, ich heiße Malina Maltzan.«
    »Na gut, wenn’s sein muß, dann hock dich halt her.« Die Männer rückten zusammen und machten ihr Platz. Sie steckte sich eine Zigarette an und ließ sich Karten geben.
    Nach fünfzehn Runden, einer halben Schachtel Marlboro und drei weiteren Gläsern Bier blickte Mandy auf einen beachtlichen Turm von Münzen, die sich vor ihr stapelten.
    »Mir reicht’s für heute«, sagte sie, wohl kalkulierend, daß ihre Mitspieler sie jetzt nicht so einfach gehen lassen würden. Und wie erwartet erhob sich einstimmiger Widerspruch.
    »Mensch, das kannst doch ned machen. Jetzt bleib doch noch, wo’s grad einmal spannend werd«, versuchten die Männer sie zu überreden.
    »Okay, dann gebe ich aber erst mal einen Schnaps für jeden aus. Außerdem«, sie blickte herausfordernd in die erwartungsvollen Gesichter, »bin ich Journalistin beim Fernsehen und recherchiere hier für einen Dokumentarfilm. Es geht darin um das Leben …«, sie machte eine Kunstpause, »… von Richard Grasser. Ich denke, ihr kennt ihn noch. Er ist ja hier geboren.«
    Kaum

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