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Dornroeschenmord

Dornroeschenmord

Titel: Dornroeschenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kalman
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gespielt. Pfui Deifel.«
    Für einen Moment schien es, als wollte er ausspucken, doch er hatte sich gleich wieder in der Gewalt. »Was dann passiert ist, hat se sich selber zuzuschreiben gehabt. Und glauben Sie’s mir, es ist ihr Recht geschehn. Mein ist die Rache, spricht der Herr – und er hat sich an ihr gerächt.« Über Gebauers Augäpfeln lag jetzt ein trüber Schleier, der seinem Gesicht den unnatürlich starren Ausdruck eines Blinden verlieh.
    »Was ist denn dann passiert?« Mandy stellte die Frage mit leiser Stimme, als befürchtete sie, ein lauter Ton würde seinen Redefluß stoppen.
    »Die Burschen aus’m Dorf waren das Werkzeug Gottes. Der Mensch wird ernten, was er sät – und die Dirne hat die Saat vom Satan gestreut. Aufgelauert harn se ihr. Sechs oder sieben Kerle waren’s, und im Wald harn se se dann hergenommen. Immer wieder, aber sie hat keinen einzigen Muckser von sich gegeben. Ganz stumm ist se geblieben, und als es vorbei war, ist se aufgestanden und einfach davongegangen. Ned eine einzige Träne hat se geheult. Es hat ihr gefallen, ich weiß es genau. Sie hat’s immer gewollt und immer drauf gewartet. So wie se immer ihre Locken geschüttelt hat, das hat jeder sehen können. Und in ihren Augen, da war was drin. Der Deifel hat drin gelacht.« Gebauer beugte sich in seinem Sessel nach vorn und starrte Mandy haßerfüllt ins Gesicht. »So wie bei Ihnen.«
    Obwohl ihr das Herz bis zum Hals klopfte, zwang Mandy sich, ruhig zu bleiben und seine Bemerkung zu ignorieren. Aber Gebauer sprach schon weiter, er spie die Worte nur so aus. »Schöne Weibsbilder sind ein Machwerk vom Deifel. Sie sind nur dazu da, Verderben über uns zu bringen. Sie locken mit ihrem Schoß, girren in unseren Ohren und harn nur unseren Untergang im Sinn. Und der Pfarrer, der Esel, hat’s ned einmal gemerkt. Ein Mann der Kirche, der der Sünde verfällt. Beschützen wollt er sie und ihre Leut, als sie dann schwanger war und ned gewußt hat, von wem der Bankert ist. Beschützen wollt er das gotteslästerliche Weib und mit ihr und dem Kind auf und davon gehen. Und vorher wollt er noch alles der Polizei sagen. Aber das hams ned zugelassen. Am Abend bevor sie unser Dorf verlassen wollten, war se mit ihren Eltern im Pfarrhaus. Den Bastard hams an dem Abend aufm Bauernhof zurückgelassen. Weil’s so kalt war. Wenn’s doch nur erfrorn wär, das Balg. Aber der Deifel hat bis heut überlebt. Aber die Franca hat’s ned überlebt, ihre Eltern ned und der Pfarrer auch ned. Recht isses ihm geschehn. Die Kirche wollt er verlassen, wegen der Hur, und die anderen in die Pfanne haun. Aber da harn se ihm einen schönen Strich durch die Rechnung gemacht. Als se da alle so bei ihm im Haus versammelt warn, da sind se gekommen, die Mannsbilder aus dem Dorf, und harn von außen die Fenster und Türen verrammelt, Reisig außen herum geschichtet und Petroleum drübergeschüttet. Gebrannt hat’s wie ein Scheiterhaufen, und alle ham’s gehört, wie die da im Haus drin geschrien harn. Aber das hat ihnen nix genützt. Ein Feuer hat’s gegeben, daß man’s in der ganzen Rhön gesehen hat. Ich hab’s immer gewußt: Der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht.«
    »Was ist mit dem Kind geschehen?«
    »Die Bauersleut wollten mit dem Deifelsfratz nix zu tun harn und brachten es nach Willmers ins Waisenhaus.«
    Mandy wäre am liebsten aufgestanden und gegangen. Sie fühlte sich erschöpft, aber gleichzeitig brannte in ihr eine unvorstellbare Wut. Sie war überzeugt, daß er damals dabeigewesen war, auch wenn er es nicht direkt zugegeben hatte. Der Triumph über die Tat war ihm bis heute deutlich anzumerken. Er war ein Mörder. Ein Mörder, der sich keiner Schuld bewußt war.
    Was ihn veranlaßt hatte, ihr die Geschichte zu erzählen, konnte sie nicht nachempfinden, aber die Art, wie er es getan hatte, zeigte deutlich, daß er nach all den Jahren keinerlei Reue verspürte. Sie zwang sich zu einem sachlichen Ton.
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Ihnen gerne noch eine Frage stellen.«
    »Fragen Se ruhig, ich hab nix zu verheimlichen. Wahrhaftiger Mund besteht ewiglich, aber die falsche Zunge besteht ned lange.« Er schien die Bibel auswendig zu kennen oder zumindest die Zitate darin, die seine Handlungen in seinen Augen rechtfertigten.
    »Warum hat es eigentlich keine offizielle Untersuchung zu diesem Fall gegeben?«
    »Die hat’s scho gegeben, aber halt nur halbherzig. Es war Nachkriegszeit, ham Se das scho vergessen?«

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