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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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wandte sich ihr zu. »Nach dem Einbruch hat die Maklerin den Code geändert, aber das war die alte Kombination. Woher haben Sie die gekannt?«
    Â»Iris ist im Oktober geboren, und zwar am 28. Das hat mir Lydia Neff erzählt.«
    Â»Wann?«
    Â»Vor elf Jahren.«
    Er lächelte.
    Brenna öffnete die Tür und bemerkte als Erstes den modrigen Geruch. Während einiger Sekunden war der 19. Oktober 1985, zweiter Tag einer fünftägigen Reise der Familie nach Florida. Sie lief mit ihren Zwillingscousinen Liz und Deb durch das Geisterhaus in Disney World.
    Sie sagte in Gedanken die ersten drei Zeilen des Fahneneids auf und kehrte in die Gegenwart zurück, aber der muffige Geruch hing noch immer in der Luft – nicht wie damals künstlich hergestellt und in die Luft gesprüht, damit man fröstelte, sondern durch und durch real. Der Geruch von echten Geistern, dachte sie.
    Â»Warum hat Lydia Neff das Haus verlassen?«, fragte sie Morasco. »Warum ist sie von hier weg?«
    Â»Das ist die 64   000-Dollar-Frage.«
    Â»Das ist ebenfalls ein hoffnungslos veralteter Vergleich«, stellte Brenna kritisch fest. »Wie alt sind Sie eigentlich?«
    Â»Irgendwann werde ich Ihnen zeigen, wie gut ich Jack Paar nachmachen kann.« Morasco knipste das Licht an, und Brenna sah sich in der Küche um. In der Mitte stand ein langer Holztisch, neben der Spüle türmte sich Geschirr, und das Summen des Kühlschranks machte deutlich, dass er eingeschaltet war. Ohne den Geruch hätte man meinen können, dass in diesem Haus noch immer jemand lebte und nur heute Abend ausgegangen war.
    Morasco schien ihr ihre Gedanken anzusehen. »Das Haus war vorübergehend vermietet. Insgesamt drei verschiedene Parteien haben hier jeweils sechs Monate gewohnt. Erst seit vier oder fünf Monaten steht das Haus vollkommen leer, und ich glaube, dass die Maklerin sich noch immer große Hoffnungen auf einen finanzkräftigen Käufer macht.«
    Brenna nickte kurz und fragte dann: »Wissen Sie, wo genau Carols Brieftasche gefunden wurde?«
    Er nickte. »Kommen Sie mit.«
    Sie gingen durch die Küche und durch einen nichtmöblierten, kleinen Raum mit cremig weißen Wänden und einem gefliesten Boden, auf dem eine Bambus-Yogamatte lag. An der Wand gegenüber dieser Matte hatte jemand eine dunkle Holzplakette angebracht, auf der in weißen Lettern stand:
    Besiege den Zornigen durch Liebe,
den Bösen durch Güte,
den Geizigen durch Großmut,
den Lügner durch die Wahrheit.
    Eine weitere Weisheit stand über der Tür: Die größte Errungenschaft ist Selbstlosigkeit.
    Â»Lydia hat gerne meditiert«, stellte Brenna fest.
    Â»Ja«, stimmte ihr Morasco zu. »Ich weiß nicht, ob sie ehrliches Interesse daran hatte oder ob dies einfach ihre Art war, mit der Trauer umzugehen, aber damals, als ich in dem Fall ermittelt habe, hatte sie wegen all ihrer Meditations- und Yogakurse kaum je Zeit für uns.«
    Sie gingen weiter in das angrenzende Esszimmer, dessen Wände dunkelgrün gestrichen und über den Türrahmen mit weißen Bordüren versehen waren. Es gab einen Kamin, eine Reihe Stühle sowie einen Tisch, auf dem eine Zinnschale mit glatten gelben, birnenförmig geschnittenen Steinen stand. Brennas Blick fiel auf ein gerahmtes Foto auf dem Kaminsims – eine größere Version eins der Familienporträts, auf die sie zwischen Carols Unterlagen gestoßen war, eine Schwarzweißfotografie von einer lächelnden, langhaarigen Lydia in einem leichten Sommerkleid, auf deren Schoß Iris als Baby saß. Direkt dahinter stand ein junger Mann, dessen Hand auf ihrer Schulter lag. Er hatte gewelltes braunes Haar, das ihm auf die Schultern fiel, und einen dichten Bart, aber sie erkannte an den Augen – an dem unglücklichen Blick –, dass es Timothy O’Malley war.
    Â»Ich habe Tim nur ein einziges Mal vernommen – er war damals in der Reha oben in Albany«, erzählte Morasco ihr. »Er hat mir nicht viel sagen können, aber wenn er nicht … nun, wenn die Situation eine andere wäre, könnte er uns jetzt möglicherweise helfen.«
    Â»Warum?«
    Â»Er kannte Lydia. Wahrscheinlich besser als irgendjemand sonst. Als Iris verschwand, war er in der geschlossenen Psychiatrie. Er hat nicht wirklich gut auf die Methadonbehandlung reagiert. Kann damals nicht mehr als fünfzig Kilo gewogen haben, und die

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