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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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Spec.
    Brenna öffnete den Anhang. Eine Liste, die sie durchgehen konnte. Gut. Das hielte sie davon ab, ständig auf das Telefon zu starren und darauf zu warten, endlich etwas von der Frau zu hören, die so oft bei den Barmherzigen Schwestern angerufen hatte, und sich in die Vorstellung hineinzusteigern, dass die Frau ganz sicher Lydia war, denn weshalb sollte sie sich sonst nach Tim O’Malleys Zustand erkundigen, ohne zu sagen, wer sie war? Und welche andere Frau würde wohl je behaupten, mit dem Mann verheiratet zu sein?
    Erstaunlich , dachte sie. Wentz hatte sie mehrfach angelogen und vor sechs Stunden gefeuert, aber trotzdem steckte sie noch immer bis zum Hals in diesem Fall, war der Lösung schmerzlich nah und sehnte sich danach, endlich genau zu wissen, was geschehen war.
    Immer mit der Ruhe. Sieh dir erst einmal die Namen an.
    Trent hatte recht gehabt – allzu lang war diese Liste nicht. Sie umfasste gerade mal ein Dutzend Leute einschließlich der Frauen. Sie ging in Google Images und tippte Namen und Adressen ein.
    Der erste Bistro-Besitzer, ein gewisser Russel Chesney, war ein Radiologe aus White Plains, der bei Facebook angemeldet war. Natürlich kam sie nicht auf seine Seite, doch das Bild in seinem Profil machte ihr deutlich, dass das auch nicht nötig war – es zeigte einen Mann und eine Frau und einen Hund, und keiner von den dreien sah auch nur annähernd wie der hässlich-schöne angebliche Polizist aus, den sie gesehen hatte.
    Dann kam ein gewisser Percy Bridges – ein lächelnder, kahlköpfiger Buchhalter aus New Rochelle mit eigener Webseite.
    Danach folgte der zertifizierte Yoga-Lehrer Samson Moore – ein muskulöser, am gesamten Körper tätowierter Schwarzer, der an fünf Tagen pro Woche Stunden im Fitnessstudio Equinox an der Ecke 85. und Lexington Avenue anbot.
    Es war einfach unglaublich, wie leicht man heutzutage Menschen fand, da sie ihre Gesichter, ihre Berufe, ihre Lebensgeschichten freiwillig im Netz ausstellten. Hätte Brenna sich zum Beispiel für den nächsten Mann auf ihrer Liste, Martin Wickham, interessiert, hätte sie nur seinen Namen bei Google einzugeben brauchen, um herauszufinden, dass er nach seinem vor sechs Jahren erfolgten Auszug aus seinem Haus in Scarsdale Leiter der Finanzabteilung des Orthopädischen Krankenhauses in Los Angeles geworden und dass er sehr stolz auf seine Tochter Phoebe war, von der man einen kurzen Film auf YouTube sehen konnte, mit dem sie erst am Vortag als Siegerin aus einem Kurzfilmwettbewerb der University of Southern California hervorgegangen war.
    Es war ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, gesehen und gehört zu werden, oder nicht? Und inzwischen gab es unzählige Möglichkeiten, sich zur Schau zu stellen – ein gigantisches, pulsierendes, elektronisches Gedächtnis, das speziell dafür entwickelt worden war, dass jeder jederzeit die Gelegenheit bekam, sein Gesicht zu zeigen, einen Teil seines Lebens mit anderen zu teilen, ein Signal zu geben, anderen bekannt zu sein. Es erleichterte Brenna die Arbeit ungemein, machte es aber gleichzeitig umso beunruhigender, wenn eine Person trotz all dieser Möglichkeiten unsichtbar war und blieb.
    Bitte, Lydia, ruf mich an.
    Mehr zum Zeitvertreib, als dass sie sich tatsächlich irgendwas davon versprach, gab Brenna Lydias Namen in das Suchfeld ein. Und natürlich fand sie kaum etwas – ein paar elf Jahre alte CNN -Berichte sowie einen Link zu einer Webseite, auf der es um verschwundene Kinder ging. Die Geschichte war zu alt, als dass im Netz ausführlich darüber berichtet worden wäre, und es sah so aus, als wäre Lydia Neff nur deshalb überhaupt bekannt, weil ihr Kind verschwunden war. Als wollte Lydia Neff für gar nichts anderes bekannt sein … außer … Brenna gab den Namen Lydia Neff und dazu die Worte Life Coach in ihren Computer ein, denn vielleicht gab es ihre alte Webseite ja noch. Und tatsächlich stieß sie dort auf Lydias unglückliches, aufgedunsenes Gesicht und darunter, in blumiger Kursivschrift, die Worte »Befreie dich selbst!«. Was Brenna wie ein schlechter Scherz vorkam.
    Am Ende der Seite waren noch drei Phrasen abgedruckt:
    Lerne um.
    Erneuere dich.
    Erfinde dich neu.
    Wieder mehr zum Spaß wählte sie die Telefonnummer, die auf der Seite angegeben war. Doch natürlich war der Anschluss tot, und so wandte sie sich wieder ihrer Subaru-Fahrer-Liste

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