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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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geliefert worden war. Brenna war damals erst sieben Jahre alt gewesen und kann kaum noch sagen, wie ihr Vater ausgesehen hat, aber dieser Marmorblock, den fünf Männer aus dem riesengroßen Lkw geladen haben, hat sich in ihrem Gedächtnis eingeprägt.
    Â»Was willst du damit machen?«, hatte Clea Mom gefragt.
    Â»Jemanden, der immer da sein wird«, hatte Mom erklärt.
    Und jetzt ist auch Clea nicht mehr da. Sie ist seit fast vier Jahren fort. Brenna weiß, dass sie noch lebt, weil sie einfach noch leben muss. Hat Clea dieses Lied wohl auch gehört? And She Was . Sie stellt sich Clea vor, wie sie die Augen schließt, sich den Text anhört und »… tritt ein in die Welt der Verschwundenen …« mitsingt.
    Brenna überlegt, ob wohl auch Clea jemals an sie denkt. Ob Clea sich wohl jemals Mom vorstellt, wie sie im Schneidersitz im Garten hockt und seit drei Tagen nicht mehr mit Brenna gesprochen hat. Ob Clea eine Ahnung davon hat, wie weh es tut, Mom durchs Fenster zu beobachten, während sie vor Neptun sitzt, als ob er reden könnte und ihr sagen würde, warum jeder außer ihm sie zu verlassen scheint.
    Â»Ich werde sie finden«, flüstert sie. »Ich werde Clea für dich finden, Mom.«
    Brenna hielt am Straßenrand und schaltete den Motor aus. Entgegen ihrer ursprünglichen Absicht hatte sie den Muriel Court nicht überquert, sondern war links abgebogen und dann an vier Häuserblocks vorbei bis zu Nelsons Haus gefahren. Schließlich hatte sie das bereits seit dem frühen Morgen vorgehabt. Feuern Sie mich, wenn Sie wollen, aber ich brauche die Antworten ebenfalls, Nelson. Sie brauchen mich nicht zu bezahlen. Es genügt mir, wenn ich weiß, was hier geschehen ist.
    Eine geschlagene Minute drückte Brenna auf den Klingelknopf, ohne dass etwas geschah. Dabei war Nelson eindeutig daheim. Sie sah seinen Wagen in der Einfahrt stehen, also wollte er sie entweder nicht sehen oder lag erneut im Bett und schlief. Aber keins von beidem ließe sie ihm durchgehen.
    Sie ging zu dem Plastikstein unter dem Erkerfenster, klappte ihn entschlossen auf, schnappte sich den Schlüssel und sperrte die Haustür auf.
    Sobald sie sie von innen wieder zugezogen hatte, rief sie Nelsons Namen. Keine Antwort, doch sie konnte hören, dass oben im Badezimmer Wasser lief.
    Â»Nelson? Ich bin’s, Brenna«, rief sie nochmals, während sie das Wohnzimmer betrat. »Ich muss mit Ihnen reden!«
    Keine Reaktion.
    Offensichtlich konnte er nichts hören, während er unter der Dusche stand, also würde sie hier unten warten, bis er fertig war, dachte sie und ging in Richtung Couch.
    Sie stand an einem etwas anderen Platz als sonst. Auch der Teppich lag nicht mehr direkt unter dem Fenster, sondern in der Nähe des Kamins, und die Holzbüste von Don Quichotte stand nicht mehr auf dem Kaminsims, sondern mitten auf dem Tisch. Was für jemanden wie Nelson ziemlich seltsam war. Wollte er vielleicht ein neues Leben anfangen? War diese kaum merkliche Veränderung der Einrichtung eventuell ein Teil davon? Sie nahm auf dem harten Holzstuhl Platz – ihrem gewohnten Platz, erkannte sie, und bemerkte im selben Augenblick, dass etwas unter Nelsons Sessel lag. Ein Buch. Ein Buch auf dem Boden? Im Haus von Nelson Wentz? Während oben immer noch das Wasser lief und die Rohre ächzten, bückte Brenna sich, spähte unter den Sessel und zog das Buch darunter hervor. Die Jahre der Veränderung – Eine Autobiographie. Sie schlug es auf, begann zu lesen und schob eine Fingerspitze unter den Schutzumschlag auf der Rückseite des Buchs …
    Etwas war dort festgeklebt. Brenna entdeckte einen dünnen Umschlag, der mit einer ganzen Rolle Klebeband innen am Rückendeckel befestigt war, als hätte Nelson vorgehabt, das Ding ins Weltall abzusenden, ohne dass der Umschlag unterwegs verlorenging. Nein, nicht Nelson. Carol. Schließlich war dies Carols Buch. Das Buch, dessentwegen sie Gayle Chandler angerufen hatte, das Buch, das sie gelesen hatte, als sie von Nelson zum letzten Mal lebend gesehen worden war. Brenna musste schlucken, und ihr Herz fing an zu rasen. Der Umschlag war dünn genug, um unter den Schutzumschlag von einem Buch zu passen. Dünn genug, um keinem Menschen aufzufallen, wenn er in einem Rahmen hinter einem Bild verborgen war.
    Vorsichtig löste sie das Klebeband, hielt den Umschlag während einiger Sekunden in der Hand und

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