Dornröschenschlaf
sagen, wurde sie oft noch stiller als sonst. Trotzdem spürte Brenna, dass in diesem Augenblick noch mehr dahintersteckte als ihr einsilbiges Naturell. »Maya«, fing sie deshalb an. Tut mir leid, dass ich dich nicht schon gestern holen konnte. Doch bevor sie diese Worte sagen konnte, setzte ihre Tochter an: »Ich übernachte heute bei Larissa. Das habe ich Trent schon gesagt.«
»Oh â¦Â«
»Wir wollen zusammen für die Bio-Arbeit lernen. Dad und Faith haben gesagt, es wäre okay.«
»Warte. Larissa?«, fragte Brenna, und in ihren Gedanken blitzte eine Erinnerung auf. »Ihre Mutter hat euch beide mal allein in der Wohnung gelassen. Da wart ihr erst acht.«
»Keine Ahnung, wovon du sprichst.«
»Also bitte, Maya. Das musst du doch noch wissen. Am 4. Mai 2001. Du kamst ganz stolz nach Hause und hast uns erzählt, Larissa und du hättet gegenseitig auf euch aufgepasst!«
Maya seufzte tief. »Mom, sie war nur kurz unten am Briefkasten und hat die Post geholt. Sie war vielleicht drei Minuten weg.«
»Ein Kind kann in weniger als drei Minuten verschwinden, Maya. Das hätte ihre Mutter wissen müssen. Sie hätte â«
»Irgendwie wird die Verbindung schlecht«, antwortete Maya, obwohl Brenna sie noch gut verstand. »Wir sehen uns dann morgen. Versuch bitte, nicht zu spät zu sein.«
Brenna schaltete ihr Handy wieder aus.
»Kinder«, stellte Trent mit einem gleichmütigen Schulterzucken fest.
Brenna sagte nichts, sondern starrte einfach auf das Handy, das in selbstzufriedener Stille auf dem Schreibtisch lag. Am liebsten hätte sie es an die Wand geworfen, da es ihr bei den Gesprächen mit ihrer Tochter sowieso nicht half.
»Du hättest Maya jetzt sowieso nicht abholen können«, sagte Trent. »Gleich taucht das Militär hier auf.«
»Hm?«
»Detective Nick Morasco von der Polizei in Tarry Ridge«, fuhr er mit tiefer Stimme fort.
Brenna seufzte. »Was zum Teufel will der Kerl von mir?«
»Keine Ahnung, ich weià nur, dass dieser Kerl so streng und ernsthaft wirkt, dass es schon fast unheimlich ist.«
»Was hat er gesagt?«
»Er wollte wissen, wann du da bist. Ich habe gesagt, so gegen vier, und jetzt ist es schon Viertel nach. Also â¦Â«
Bevor er seinen Satz beenden konnte, klingelte es schon, und als er an die Gegensprechanlage trat, drang wieder diese dunkle Stimme mit dem brooklynschen Akzent an Brennas Ohren. »Detective Morasco. Ist Mrs Spector wieder da?«
Trent betätigte den Türöffner und blickte Brenna an. »Na, was habe ich gesagt? Total ernsthaft, oder nicht?«
Auch wenn Morasco auf den ersten Blick weder allzu militärisch noch besonders streng und ernsthaft auf sie wirkte, gab es vieles anderes, woran sie Anstoà nahm.
Am meisten störte sie sein Alter. Falls er nicht geliftet war, zeigten seine faltenlosen Züge, dass er höchstens vierzig war. Doch obwohl er höchstens zwei, drei Jahre älter war als sie, hatte er bei ihrem Telefongespräch elf Jahre zuvor so herablassend und abschätzig geklungen, als spräche er mit einem ungezogenen Kind. »Wir suchen nicht nach einem blauen Wagen. Danke, dass Sie angerufen haben.« Hahaha.
Genauso störte sie das Aussehen dieses Kerls. Schlaksig und bebrillt und â um Himmels willen â Tweed-Jacken-bewehrt, mit Haaren wie Orlando Bloom in einem Piratenfilm. Keiner der zahllosen Detectives, denen sie bisher begegnet war, hatte so wenig nach einem Polizisten ausgesehen. »Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mrs â«
»Brenna.«
»Brenna.« Er wiederholte ihren Namen, ohne aufzusehen, und wühlte in einem abgewetzten Leinenbeutel, der ihm offenbar als Aktenkoffer diente â einem dieser ökologisch wertvollen Behältnisse, die man in groÃen, schuldbewussten Supermärkten aufgedrängt bekam und auf dem in groÃen Lettern das Wort umweltfreundlich stand.
Tatsächlich hatte er sie bisher noch nicht einmal angesehen, denn nachdem er Trent (oder eher der Wand) erklärt hatte, o ja, er tränke gerne einen Kaffee, und zwar schwarz mit Zucker, war er direkt auf ihren Schreibtisch zumarschiert. Vielleicht war sie ja zu anspruchsvoll, aber wenn die Polizei in ihre Wohnung kam und sie nicht verhaften wollte, hatte sie doch wohl zumindest einen kurzen Blickkontakt verdient.
Während Brenna dachte, dass Jim Rappaport, ihr Exmann,
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