Dornröschenschlaf
erst auf Nelson Wentzâ Computer und sofort nach ihrer Rückkehr noch einmal auf ihrer eigenen Kiste angesehen. Sie hatte diese Suchmaschine selbst einmal benutzt. Am 7. Juni 2002, als Google vorübergehend ausgefallen war â¦
Sie hatte dabei nichts Besonderes entdeckt â eine eher bescheidene Homepage, die hauptsächlich aus dem Suchfeld und einem wabernden Logo, das für ihren Geschmack etwas zu esoterisch war, bestand. Am linken Rand der Seite war eine Reihe anderer Dienste angeboten worden, alle mit dem Präfix Chrys â ChrysWetter, ChrysMovies, ChrysNews.
Brenna ging noch einmal zu Chrysalis und starrte den Bildschirm an. Er sah noch genauso aus wie in ihrer Erinnerung â was nicht im Geringsten überraschend war â, und sie schrieb an Jim: Ich sehe mir die Seite gerade an, aber ich kapiere es noch immer nicht.
Geh mal zu den anderen Diensten und klick auf das unterste Symbol , schlug Jim ihr vor.
Es war ein schlichtes »+«-Zeichen, das Brenna vorher gar nicht aufgefallen war. Doch jetzt klickte sie es an, und plötzlich tauchte eine Reihe zusätzlicher Dienste auf: ChrysBlogs, ChrysForSingles und ChrysChats. Brenna tippte: Interessant â¦
Ist deine verschwundene Person ein Single?
Nein, aber die Chats sehen durchaus vielversprechend aus.
Inzwischen war ihr klar, dass Carol Wentz eindeutig eine Frau mit vielen Hobbys war. Kein Wunder, dass ihr neben ihrer Kocherei, einer Reihe Ehrenämter, ihrem Buchclub und den vielfältigen Handarbeiten kaum noch Zeit für ihren Mann geblieben war. Bei Chrysalis gab es Chatrooms für so gut wie alle Hobbys sowie Chats für Frauen in den Wechseljahren, Alleinerziehende, unfruchtbare Paare und selbst Opfer von Gewaltverbrechen, alle unter dem dämlich pauschalen Titel »Leben« zusammengefasst.
Immer gern zu Diensten ,tippte Jim.
Sorry â vielen Dank! Nur kämpfe ich mich grade durch ungefähr eine Million verschiedener Chats. Brenna machte eine kurze Pause, tippte weiter und schickte den Nachsatz ab. Bin wirklich froh, dass du da drauÃen bist. War das vielleicht schon zu viel?
Das solltest du auch sein.
Brenna grinste. Typisch Jim. Also, was soll ich als Erstes ausprobieren? Vielleicht den Chat zur französischen Küche?
Ich sage nur zwei Worte. Boudin noir.
Sofort war der 30. Mai 1994, und sie saà in einem Pariser Bistro mit Namen La Muguet, in dem eine grässliche, französische Version der gröÃten Beatles-Hits aus den Lautsprechern der Stereoanlage drang. Es ist der vierte Tag von ihrer und Jims Hochzeitsreise, abends Viertel nach neun. Irgendein Franzose mit einer dieser Stimmen, die klingen, als würde er pausenlos heulen, bellt einem Yellow Submarine ins Ohr, aber das ist vollkommen egal, denn sie sind bei ihrer zweiten Flasche Chateauneuf du Pape Pinot Noir, und Brenna genieÃt einen Bissen knusprig gebratenen Hühnchens, was vielleicht das Beste ist, was sie je gegessen hat, weshalb sie den Genuss möglichst in die Länge ziehen will, während Jim â der es als aufregend spontan empfindet, irgendetwas zu bestellen, ohne zu wissen, was es ist â in einen groÃen, zylindrischen Gegenstand in der Farbe einer Aubergine beiÃt und dann dem Kellner winkt. »Quâest-ce-que câest?«
»Boudin noir, Monsieur«, erklärt der Mann. »Eine Wurst aus Schweineblut.« Ein Blick in Jims Gesicht â der guckt wie Charlton Heston am Ende von Jahr 2022 ⦠die überleben wollen â, und sie bricht in prustendes Gelächter aus.
Erinnerst du dich noch? ,fragt Jim.
Brenna lachte fast so sehr wie damals, mit Tränen in den Augen und zurückgeworfenem Kopf. Dann holte sie Luft und schrieb: Was denkst denn du?!
Jim antwortete schnell. Ich würde ja einen dieser Smileys tippen, nur dass du diese Smileys hasst.
Brenna klickte zweimal auf den Chat zur französischen Küche, doch als ihr Computer sie nach einem Benutzernamen und einem Passwort fragt, weià sie nicht, wie sie sich nennen soll â BoudinBetty? CrepeSuzette? â, und wendet sich wieder an Jim. Warst du jemals in einem Hobby-Chatroom?
Ãh, nein. Das heiÃt, warte â meinst du, Fesselspiele zählen?
Haha. Willst du vielleicht mitkommen?
In einen Chatroom zur französischen Küche? Machst du Witze?
Brenna seufzte. Sicher könnte sie sich einen simplen Namen geben â NYC -Gourmet wäre doch sicherlich okay. Aber was
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