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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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atmete auf. »Freitag. Richtig.«
    Neben vielen anderen Nachbarschaftsprojekten hatte Carol zusammen mit Gayle die wöchentliche Wertstoffsammlung durch die Sechstklässler der örtlichen Grundschule organisiert. Jeden Freitagmorgen vor Beginn des Unterrichts tauchten Max und seine Klassenkameraden bei den teilnehmenden Haushalten auf, sammelten Blechdosen und Plastikflaschen ein, brachten sie zum an der Hauptstraße gelegenen Stop and Shop und lieferten das Geld, das direkt in den Fonds zur Verschönerung des Schulhofs floss, bei ihren Lehrern ab. Als kinderloses Ehepaar hatten die Wentz natürlich keinen Grund, um im Lehrer-Eltern-Ausschuss ihrer Grundschule aktiv zu sein. Trotzdem hatte Gayle Carol um ihre Mithilfe gebeten, und wie immer, wenn man sie um irgendwas gebeten hatte, hatte Carol sich auch dort nach Kräften engagiert.
    Carol machte niemals halbe Sachen, ganz egal, ob es um diese blöde Wertstoffsammlung, ihren Buchclub oder ihre Häkeldecken für das Altersheim des Ortes ging. Und das galt sicher auch für was auch immer sie mit diesem Klavel tat oder für diese Nachforschungen im Zusammenhang mit Lydia Neff …
    Max blickte noch immer böse zu ihm auf. »Also … äh … die Flaschen und die Dosen?«
    Nelson merkte, dass das ganze Zeug noch in der Küche lag. »Ich werde sie dir holen.«
    Auch Max setzte sich in Bewegung, aber Nelson wollte nicht, dass ihm der Junge folgte, denn er wollte seinem kalten Blick keine Sekunde länger ausgeliefert sein. »Es liegen auch noch Flaschen in der blauen Plastikwanne drüben in der Garage. Warum gehst du die nicht schon mal holen, und ich treffe dich dann dort?« Der Garagenöffner baumelte am Schlüsselbrett neben der Tür. Nelson nahm ihn ab und drückte ihn dem Jungen eilig in die Hand. »Los«, sagte er und drückte die Tür hinter ihm zu.
    Mit einem tiefen Seufzer lief er Richtung Küche, wurde aber unterwegs von den Papieren auf dem Boden abgelenkt, und als er in die offene Truhe blickte, sah er, dass das Protokoll, das er gefunden hatte, längst nicht alles war. Eilig griff er sich den nächsten Hefter, der vergilbte Zeitungsausschnitte enthielt, in denen ausnahmslos von Lydias verschwundenem Kind die Rede war.
    In einem anderen Ordner lagen eine Reihe von Familienfotos: Lydia, die lächelnd neben einem Mann, den Nelson nie gesehen hatte, posierte, während sie ein schwarzhaariges Baby – sicher Iris – in den Armen hielt.
    Was wolltest du mit allen diesen Dingen, Carol?
    Nelson legte die Papiere und die Bilder wieder in die Hefter, dann alles wieder in die Truhe, packte auch das Nähzeug wieder ein, klappte den Truhendeckel zu, stellte das Behältnis wieder ins Regal, räumte auch die anderen Sachen wieder in den Handarbeitsraum seiner Frau und schloss die Tür. Das wäre geschafft.
    Nelson musste praktisch sein. Jetzt war keine Zeit, um über all das nachzudenken, aber nachher würde er Miss Spector anrufen. Die Polizei wäre ihm sicher keine Hilfe, denn sie interessierte sich nicht im Geringsten für das Schicksal seiner Frau. Nein, er würde bei Miss Spector anrufen. Er würde ihr erzählen, anscheinend hätte Carol sich für Lydia interessiert – ja, genau so würde er es formulieren: Anscheinend hätte Carol sich für Lydia interessiert –, und sie um Rat fragen. Würde ihr von den Papieren erzählen, und wenn sie sie sehen wollte, würde er ihr sie auch zeigen. Würde ihr die Dokumente zeigen, falls ihr das bei ihrer Suche half. Erst mal aber musste Nelson sich beruhigen und die alten Blechdosen und Plastikflaschen holen, damit Max wieder verschwand.
    Nelson eilte in die Küche, schnappte sich die kleine Tüte voller leerer Flaschen und lief wieder nach vorn. Hier, Max. Nimm das Zeug und geh.
    Als er vor das Haus trat, konnte er die offene Tür seiner Garage sehen. Der Anblick der hinteren Stoßstange von Carols Wagen tat ihm in der Seele weh. »Max?«
    Keine Antwort.
    Einen Moment lang knirschte Plastik unter Nelsons Füßen, und er sah, wie das Garagentor sich langsam senkte, ehe es sich wie von Geisterhand wieder zu öffnen schien.
    Er hob den Garagenöffner von der Erde auf. Wie unachtsam von Max. Er wurde wieder wütend.
    Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie sein Besucher wie von Furien gehetzt die Straße hinunterlief. »Max? Max!«, rief er dem Jungen hinterher. Wo

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