Dornteufel: Thriller (German Edition)
eine Spritze, die ich bekommen habe?«
»Vitamine.«
Er erinnerte sich wieder. Die Ärztin hatte ihm etwas injiziert, und direkt danach war ihm schwarz vor Augen geworden. Vitamine, von wegen! Mehr noch als die Vorgehensweise an sich ärgerte er sich über die unverschämte Lüge. Dass man ihn für dumm verkaufen wollte. Er schwang die Beine nach unten und atmete tief durch, um zu prüfen, ob sein Kreislauf wieder stabil war. Seine Hand tastete über seinen Rücken. Unter dem Hemd fühlte er mehrere Pflaster. »Was ist das?«
»Sie hatten ein paar kleinere Verletzungen am Rücken, wie von entzündeten Insektenstichen. Die Ärztin hat sie desinfiziert und verbunden. Ansonsten sind Sie kerngesund. Herzlichen Glückwunsch.«
»Kann ich jetzt gehen?«
»Ich begleite Sie.« Peters Stimme klang spöttisch. Seine Augen fixierten, wie immer, wenn er in seine Richtung sah, einen Punkt oberhalb seines Kopfes.
»Besteht die Möglichkeit, dass ich mich bei Gelegenheit ein wenig auf dem Schiff umsehe?«, fragte Kamal, als sie den Gang hinuntergingen. Er versuchte, sich zu orientieren. »Ich interessiere mich für Schiffe«, setzte er hinzu.
»Ich werde das mit dem Kapitän besprechen.«
»Wie heißt er?«
»Wer?«
»Der Kapitän dieses Schiffes. Wie ist sein Name?«
»Äh … Miller. Kapitän Miller.«
Peter war wirklich ein schlechter Lügner, stellte Kamal im Stillen fest. Die Frage war nur, warum der Name des Kapitäns ein Geheimnis sein sollte.
Sie stiegen eine steile Treppe hinauf und kamen wieder in den Gang, der zu der Vier-Bett-Kammer führte, wo Kamal und die anderen drei untergebracht waren. Eine Tür öffnete sich rechts von ihm, und ein junger Mann kam heraus, nickte zur Begrüßung und eilte davon. Kamal hatte einen kurzen Blick in das Innere des Raumes werfen können: eine Kajüte wie die, in der er untergebracht war, allerdings etwas kleiner und nur mit zwei Kojen ausgestattet. Auf dem Tisch stand ein aufgeklappter, eingeschalteter Laptop mit Internetverbindung, denn auf dem Bildschirm befand sich ein E-Mail-Programm.
Kamal dachte daran, dass sie sich bei Peter erkundigt hatten, ob sie Nachrichten an ihre Familien schicken könnten. Peter hatte gesagt, dass er nachfragen würde, aber es war nichts darauf gefolgt. Wenn Kamal in jene Kajüte gelangen und sich dort nur ein paar Minuten aufhalten könnte … er und dieser Rechner. Doch da stand er schon wieder vor ihrer Vier-Bett-Kabine. Peter schloss auf und hielt ihm die Tür auf.
»Moment noch …« Kamal überlegte. »Wenn wir alle gesund und bei Kräften sind, dann können wir bestimmt irgendwas an Bord tun, um uns nützlich zu machen.« Er versuchte ein verbindliches Lächeln, was ihm in Peters Gegenwart nur mühsam gelang. »Nichts für ungut. Aber es ist verdammt langweilig, den ganzen Tag dort drinnen herumzuhocken. Wir könnten uns für die Gastfreundschaft revanchieren und arbeiten.«
Peters Augen wurden schmal. »Ich werde mit dem Kapitän darüber sprechen.« Er schubste den jungen Mann in die Kajüte und schloss von außen die Tür.
Kamal wartete einen Moment. Dann versuchte er, sie von innen zu öffnen, doch es gelang ihm nicht. »Mist!« Frustriert schlug er mit der Faust gegen das Türblatt, sodass die anderen drei ihn erstaunt ansahen.
»Was ist passiert?«, fragte Irfan.
»Wir sind Gefangene«, meinte Kamal.
»Ist das was Neues?«
»Habt ihr auch Vitamine gespritzt bekommen, die einen außer Gefecht setzen? Haben sie euch auch den Rücken zerkratzt?«
»Meinst du das?« Irfan zog sein Hemd hoch. Auf seinem Rücken gab es sechs wunde Stellen, jede kreisrund und rosa auf der sonst braunen Haut. Sie waren symmetrisch in zwei Reihen angeordnet: die eine rechts, die andere links neben der Wirbelsäule.
Kamal starrte erschrocken darauf. Er wusste nicht, wie sein Rücken aussah, aber es fühlte sich so an, als ob dort ebenfalls wunde Stellen waren – nur dass er noch die Pflaster darauf spürte. Insektenstiche! »Warum hast du das nicht vorher gesagt?«
Irfan zuckte mit den Schultern.
Kamal konnte ihm ansehen, wie unangenehm ihm das Ganze war. »Hast du Peter und die Ärztin danach gefragt?«
»Sicher. Sie haben behauptet, ich hätte Ungeziefer. Würmer, die sich in meine Haut gebohrt haben. Die Krätze oder so. Na ja … nach dem, wo ich überall war in letzter Zeit, da hab ich es geglaubt. Bis Navid mir erzählt hat, wie regelmäßig die Stellen sind. Ordnungsliebendes Ungeziefer, was?«
Kamal zeigte ihm seinen Rücken.
Irfan
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