Dornteufel: Thriller (German Edition)
Rebecca heran, dass sie seinen Pfefferminzatem riechen konnte, der den Alkoholgeruch nur unzureichend verbarg. Allem Anschein nach trank Konstantin gern Hochprozentiges. »Sieht mir aus wie die Haut der anderen Probanden. Wie die paradoxe Wirkung von CRRA 24-15. Allerdings verfrüht und ziemlich ausgeprägt. Wie alt ist sie?«
Rebecca schnappte nach Luft. Dass er es wagte, in ihrem Beisein in der dritten Person über sie zu sprechen! Der Kerl war einfach unverschämt, aber sie beherrschte sich.
Noël blickte sie fragend an. »Ende zwanzig«, antwortete er dann vage und fast entschuldigend.
»Seit wann zeigt sie diese Symptome?«
»Rebecca, wann ging das los bei dir?« Noël sprach zu ihr wie zu einem Kleinkind.
Eins, zwei, drei … zählte sie im Stillen. Bleib ruhig. Wenn dieser Kauz, der sie musterte wie ein Insekt, ihre letzte Hoffnung war, dann musste sie sich eben so gut es ging zusammenreißen. »Vor ungefähr zwei Wochen. Da hab ich zuerst ein ungewohntes Spannungsgefühl bemerkt, ein Jucken, und die Haut um die Augenpartie herum wurde runzelig.«
»Aber wie soll sie damit in Berührung gekommen sein?«, fragte der Professor. Gefühllos kniff er in Rebeccas Hals, zog an der Haut, ließ sie wieder los und sah sich die Stelle an.
Rebecca ballte die Fäuste, sodass sich ihre Fingernägel in die Handflächen bohrten. Es war mehr Demütigung als Schmerz, aber es war schwer auszuhalten, vor allem in ihrem jetzigen psychischen Zustand, wo sie sowieso immer kurz vor dem Abgrund stand.
»Tz, tz, tz, was haben Sie mir hier bloß angeschleppt, Almond?«, sagte der Professor, als hätte Noel eine zertretene Küchenschabe im Keller gefunden, die er jetzt in einem Schuhkarton gesund pflegen wollte. »Ich verstehe es nicht. Sie sieht so aus wie einige der Probanden, aber es muss etwas anderes sein. Oder wollen Sie mich hereinlegen?«
»Wieso hereinlegen?«, fragte Noel mit belegter Stimme. »Es ist die paradoxe Reaktion. Ich meine, sehen Sie sie sich doch an.«
»Ich kann sie nur behandeln, wenn Sie offen zu mir sind. Wie ist diese Frau mit unserem Wirkstoff in Kontakt gekommen?«
Noels Gesicht, das gerade noch blass gewesen war, errötete plötzlich. »Das ist doch vollkommen egal. Tun Sie was!«
Der Professor wandte sich von Rebecca ab und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. »Tut mir leid«, meinte er und griff nach dem Telefon. »Ich muss erst Rücksprache halten.« Er schaute zu Rebecca. »Wie war noch mal gleich Ihr Name?«
»Warten Sie«, stieß Noel hervor, bevor sie auch nur den Mund öffnen konnte.
»Dachte ich es mir doch«, sagte der Professor mit einem bösartigen Lächeln und stellte das Telefon behutsam auf die Station zurück. »Catherine soll es nicht wissen, oder?«
M IDI -P YRÉNÉES , F RANKREICH
Die Air-France-Maschine setzte um einundzwanzig Uhr fünfzig auf der Landebahn des Flughafens Toulouse-Blagnac auf. Julia, die nur ihr Handgepäck bei sich hatte, konnte sofort durchgehen. Da sie heute Abend nicht mehr viel würde ausrichten können, übernachtete sie in einem Hotel nahe des Flughafens.
Am nächsten Morgen startete sie mit einem gemieteten Renault Clio in Richtung Pyrenäen. Auf der Peripherie-Autobahn rund um Toulouse staute sich der Berufsverkehr, sodass Julia eine Weile Stoßstange an Stoßstange dahinrollte. Sie bereute schnell, dass sie keinen Wagen mit Navigationssystem genommen hatte, und war erleichtert, als sie ein Hinweisschild nach Foix entdeckte, ihrem ersten Etappenziel in den Pyrenäen. Sie wählte die Autoroute des Deux Mers , eine kostenpflichtige Autobahn, auf der sie jedoch rasch vorankam. Als sie Toulouse und seine Vororte hinter sich gelassen hatte, rollte der Verkehr zügig dahin. Immer wieder sah sie rechts den Canal du Midi, der von Platanen flankiert wurde. An seinem Ufer waren viele Radfahrer unterwegs. Die Natur war hier schon weiter als in Norddeutschland. Büsche und Bäume zeigten erstes Grün, und einige Rapsfelder begannen zu blühen. Sie durchfuhr eine flache Ebene, doch am Horizont zeichneten sich die schneebedeckten Gipfel der Pyrenäen ab. Dort würde sie Rebecca Stern treffen und mehr über Serail Almond erfahren. Nach knapp anderthalb Stunden erreichte Julia den Ort Foix. Sie hielt in einer Seitenstraße und kaufte sich einen detaillierten Plan der Gegend. Dann ging sie weiter zum Marktplatz und setzte sich in ein Straßencafé, um einen Kaffee zu trinken. Sie wusste, dass sie auch etwas essen sollte, nachdem sie schon auf das
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