Dornteufel: Thriller (German Edition)
verschneiten Pic des Trois Comtes bekommen. Es sah nicht aus wie ein Krankenzimmer und hatte einen großzügigen Balkon, auf dem zwei Liegen aus Teakholz standen. Der Innenarchitekt hatte sich in warmen Pastelltönen ausgelassen, die von einem ausgeklügelten Beleuchtungssystem perfekt in Szene gesetzt wurden. Nur die Spiegel fehlten, sogar in dem Marmorbad mit der großzügigen, in ein Halbrund eingelassenen Dusche, die Rebecca jetzt ausprobierte. Sie stellte das Licht so gedämpft ein, dass sie gerade noch ihr Duschgel fand, und vermied es nach Möglichkeit, sich beim Waschen anzusehen. Sie wollte nicht nach Schweiß riechen, wenn die Koryphäe der Dermatologie ihren Hautzustand begutachtete. Er würde sich dabei wohl nicht auf ihr Gesicht beschränken.
Frisch geduscht und in sauberer Kleidung lief Rebecca im Zimmer auf und ab. Sie stellte den Fernseher ein und sofort wieder aus. Sie hätte Noël jetzt gern angerufen, aber sie hatte ihr Telefon an der Rezeption abgeben müssen. Angeblich wegen der empfindlichen medizinischen Geräte, aber Rebecca vermutete, dass man nur über das teure Haustelefon abrechnen wollte. Sie trat an das Panoramafester. Die kitschig-schöne Bergansicht schien sie zu verspotten.
Schließlich schnappte sie ihre Tasche, die große Sonnenbrille und die Keycard für ihr Zimmer und trat auf den Flur hinaus. Wie viele Patienten es hier wohl gab, und ob welche darunter waren, die genauso entstellt waren wie sie? Brandopfer vielleicht? Würde man sie anstarren, wenn sie anderen Leuten begegnete? Aber sie traf niemanden, der Klinikflur lag verlassen da. Rechts von ihr befanden sich die Fahrstühle und das Treppenhaus.
Da sie einen Plan von der Klinik erhalten hatte, konnte sie sich allein einen Weg zum Büro des Professors suchen. Sie mied die Empfangshalle, wo jemand an der Rezeption stehen würde, sondern schritt durch Flure und Treppenhäuser, bis sie vor der Tür von Professor Konstantins Vorzimmer stand. Noël hatte zuerst mit ihm allein sprechen wollen, war aber am Empfang auf später vertröstet worden. Rebecca klopfte und trat ein, fand das Vorzimmer aber unbesetzt vor. Nebenan hörte sie jemanden reden, Professor Konstantin schien also da zu sein. Sie wollte schon an die Bürotür klopfen, als die Stimmen lauter und aufgeregter wurden. Sie meinte, Noël herauszuhören. Worüber regte er sich so auf? Sicherlich ging es dabei um ihr Schicksal … Sie bemerkte, dass die Tür nur angelehnt war. Rebecca blieb direkt davor stehen und lauschte.
»Sie haben mir nichts zu sagen, Almond! Ihre Frau ist hier der Chef, und ich halte mich an ihre Wünsche.«
»Wann und wie hat sie eigentlich alles hier an sich gerissen, Konstantin? Ich dachte, Sie bestimmen in dieser Luxus-Klinik, wo es langgeht.« Noëls Stimme war rau vor Verachtung. Rebecca konnte seine Wut heraushören. Worum ging es in dem Streit?
»Ich arbeite schon lange mit Serail Almond zusammen, und ich weiß, wer das Sagen hat, Almond. Sie sind es jedenfalls nicht.«
»Wir sollten nie vergessen, wer das Unternehmen gegründet hat. Mein Großvater hat mit seiner Apotheke in Toulouse …« Noël wurde so leise, dass Rebecca nichts mehr verstand, aber sie kannte die Geschichte vom Unternehmergeist der älteren Generation Almond zur Genüge. Schade, dass sie in dritter Generation nur so einen verwöhnten Kronprinzen wie Noël zustande gebracht hatten. Dennoch … So, wie es jetzt aussah, war er ihre letzte Chance.
»Sie müssen sie sich einfach ansehen. Es ist das gleiche Krankheitsbild, ganz sicher. Sie müssen sie behandeln. Sie sind doch kein Unmensch, Konstantin!«
»Sind Sie sich da sicher, Almond?«
»Und was ist mit dem hippokratischen Eid?«
Ein Laut, der wie ein Bellen klang, ließ Rebecca zurückzucken. Konstantin – ja, er lachte tatsächlich. Es war ein desillusioniertes, hoffnungslos klingendes Geräusch.
Noël starrte sie erschrocken an, als sie nach kurzem Klopfen das Büro des Professors betrat. Konstantins Nussknackergesicht zeigte keine Gefühlsregung, als Rebecca ihn begrüßte. Sie stellte sich ihm vor, und er musterte sie ausgiebig. Rebecca fühlte sich irgendwie schutzlos, während der Arzt sie anstarrte. Noël sah sie nicht an. Er betrachtete die Bronzeskulptur eines deformierten Kopfes auf Konstantins Schreibtisch.
»Brille ab!«, befahl der Professor. Nachdem er Rebeccas unverdecktes Gesicht begutachtet hatte, sagte er zu Noël: »Wirklich interessant.« Er zog eine Lupe hervor und kam nun so dicht an
Weitere Kostenlose Bücher