Dornteufel: Thriller (German Edition)
Probanden, die von der paradoxen Wirkung des Enzyms betroffen gewesen waren, ließ ihn blass werden. Auch Wilson zeigte deutliche Anzeichen von Unbehagen.
»Noël hat uns übrigens eine neue Patientin angeschleppt, die ähnlich aussieht wie unsere betroffenen Probanden«, sagte sie, als sich die ersten Wogen über diesen Rückschlag geglättet hatten. »Und er will sie unbedingt von Konstantin behandeln lassen.«
»Ist denn unser neues Mittel auch an ihr ausprobiert worden?«, fragte Wilson.
»Nein. Wir wissen nicht, ob und wie sie mit dem Wirkstoff in Berührung gekommen ist«, log Catherine.
»Sie muss hier behandelt werden«, beharrte Noël. »Das ist ihre einzige Rettung.«
»Sie sieht zumindest genauso aus wie unsere betroffenen Probanden«, warf Professor Konstantin ein. »Wir könnten an ihr ausprobieren, ob sich die Wirkung in diesem Stadium noch umkehren lässt.«
»Würde Ihnen das zu neuen Erkenntnissen verhelfen?«, erkundigte sich Catherine bei dem Professor.
»Ich gehe davon aus, ja.«
»Dann versuchen Sie Ihr Glück.«
Noël sah seine Frau ungläubig an. »Aber du warst vorhin strikt dagegen, du …«
»Ich habe eben meine Meinung geändert«, unterbrach sie ihn. »Kümmern Sie sich noch heute darum, Professor Konstantin.«
»Natürlich. Obwohl es schon sehr stark fortgeschritten ist …«
»Das interessiert jetzt nicht«, erwiderte Catherine scharf. Insgeheim fand sie, dass seine Anmerkung eine gute Erklärung dafür war, dass die Behandlung nicht anschlagen würde. Nicht bei dieser Frau. Dafür würde sie sorgen.
»Das war noch nicht alles, oder?« Wilson stand auf, um sich jetzt doch seinen Kaffee zu holen.
»Professor?« Sie sah den Wissenschaftler auffordernd an.
»Wie wir ja gerade berichtet haben, ist es bei einigen unserer Probanden während der klinischen Tests zu unerwarteten Problemen gekommen. Dabei stießen wir unter anderem auf eine so grundlegende Schädigung der elastischen Fasern der Haut, des Kollagens und Elastins, dass wir keine Hoffnung hatten, es je wieder rückgängig machen zu können.«
Er hob zu einer ausführlichen Erklärung an, doch Catherine unterbrach ihn mit einer raschen Handbewegung. »Schon gut, so genau brauchen wir das nicht zu wissen. Die von der paradoxen Reaktion betroffenen Probanden – haben Sie die alle nach Hause geschickt?«
»Das war unmöglich! Wir mussten die vier … Ich meine, wenn das jemand gesehen hätte, wenn es bekannt geworden wäre …«
»Ihr musstet sie also verschwinden lassen«, stellte Stefan Wilson mit emotionsloser Stimme fest. »Na ja, zum Glück waren es nur ein paar arme Schlucker, die im Winter für ein Dach über dem Kopf und für drei Mahlzeiten am Tag alles getan hätten.«
Außer vielleicht zu sterben, dachte Catherine. Laut verkündete sie: »Für die Forschung und zum Wohle der Allgemeinheit müssen Opfer gebracht werden. Jeder von uns weiß das. Diese vier waren eben die Opfer, die unser Projekt erfordert hat. Was passierte dann?«
Der Professor schluckte, sodass sein sich scharf abzeichnender Adamsapfel hüpfte. »Ich habe die Probanden, als es vorbei war – ich meine, ihre Leichen – wegschaffen lassen. Es gibt ein paar hundert Meter von hier entfernt eine Höhle, die nicht sehr bekannt ist. Sie ist kein Touristenziel wie die Höhlen von Mas-d’Azil und Niaux. Und sie liegt fast unzugänglich und gut versteckt. Außerdem ist sie wegen Einsturzgefahr gesperrt. Ich bin als Jugendlicher mal dort gewesen. Mein Onkel war Hobby-Höhlenforscher. In einem der Seitengänge gibt es einen etwa vierzig Meter tiefen Schacht, den er mir damals gezeigt hatte. Dort hinein haben wir die Leichen geworfen.«
»Klingt doch gut«, meinte Wilson und schüttete sich Zucker in seinen Kaffee. »Da wird ja wohl keiner nach Leichen suchen.«
»Nun … wir haben eines nicht bedacht: Wenn es jetzt wärmer wird, lockt der Verwesungsgeruch die Tiere an«, erklärte Konstantin mit unbewegter Miene. »Noch dazu, wo über Ostern die Touristensaison wieder beginnt.«
»Tiere?« Noël schien seine Sprache wiedergefunden zu haben. »Was denn für Tiere? Ratten?«
»Hunde: verwilderte Hunde, Dorfhunde, streunende Hunde. Was weiß ich!«
»Ja, und?«, entgegnete Catherine. »Kommen sie dorthinunter? Besteht etwa die Gefahr, dass einer der Köter mit einer menschlichen Hand im Maul bei seinem Herrchen auftaucht?«
Die anschaulichen Worte führten dazu, dass die Männer betreten dreinschauten. Die vor Pein und Verlegenheit eingefrorene
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