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Dornteufel: Thriller (German Edition)

Dornteufel: Thriller (German Edition)

Titel: Dornteufel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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Mahlzeiten, wenn sie alle im Haus seiner Eltern zusammen gegessen hatten. An seine Mutter und seinen Vater, der verhaftet und seitdem nicht mehr gesehen worden war. An seine Großmutter, die Geschwister und an seinen ältesten Bruder, den man ermordet hatte. Inzwischen war so viel passiert, dass die Erinnerung daran schon verblasste. Nur an den Geschmack von süßem Reis – an den konnte er sich gut entsinnen.
    Auf der Flucht waren schmackhafte Speisen oder auch nur ausreichend große Essensmengen eine Illusion gewesen. Lediglich in der Villa Azadi hatte es regelmäßige Mahlzeiten gegeben. Er dachte auch an seine Freunde – Minderjährige wie er selbst, die ohne Begleitung von Erwachsenen auf der Flucht waren. Daran, wie sie im Garten der Villa Azadi zusammengesessen, gegessen und geredet hatten, während die Zikaden ihr durchdringendes Konzert anstimmten. Sie hatten nicht über die Vergangenheit, die Schrecken und Entbehrungen der Flucht geredet, sondern über ihre Zukunft.
    Und nun hatte ihm das Schicksal auch noch Navid genommen, seinen Begleiter. Kamal ließ seinen Kopf auf die Knie sinken und schloss die Augen. Bloß keine Erinnerungen wachrufen – nicht nachdenken müssen. Das Einzige, was zählte, war die Zukunft. Dieses Schiff war auf dem Weg nach Nordeuropa! Er hatte Griechenland hinter sich gelassen. Und sie würden ihm wohl kaum etwas zu essen geben, um ihn anschließend über Bord zu werfen, versicherte er sich. Trotzdem … das Wort »Henkersmahlzeit« drängte sich ungewollt in sein Bewusstsein.
    B IHAR , I NDIEN
    Zwischen Julia und der klaren Nachtluft befand sich ein feuerverzinktes, grobmaschiges Schweißgitter. Ungefähr drei Meter unter ihr lag eine asphaltierte Fläche, die von einer Flutlichtanlage erhellt wurde. Mehrere LKWs parkten auf dem Areal. Einer davon stand mit abgeblendeten Scheinwerfern und laufendem Motor ein Stück weiter rechts an einer Rampe. Sie musste am Parkplatz bei den Lagerhallen sein, wo Lebensmittel und andere Waren angeliefert wurden.
    Sie rüttelte an dem Gitter und untersuchte es: Die einzelnen Streben waren zu dick, als dass Julia sie mit ihrer Zange hätte durchtrennen können. Durchsägen wäre auch noch eine Option gewesen, wenn auch eine langwierige. Dann bemerkte sie, dass das Gitter von innen verschraubt und nicht verschweißt war. Sie zog ihr Werkzeug aus der Tasche und klappte einen passenden Schraubendreher heraus. Ihr war bewusst, dass ihr der Fluchtweg durch eine festgerostete Schraube, die sich nicht mehr bewegen ließ, versperrt sein könnte. Dennoch machte sie sich ans Werk, und nach langer kräftezehrender Arbeit mit dem Schraubenzieher löste sich schließlich das Gitter.
    Julia überblickte prüfend den Parkplatz. Im Moment war niemand zu sehen. Sie musste das Risiko eingehen und das Gitter nach unten fallen lassen. Der Lärm, den es dabei verursachte, schien ihr unglaublich laut zu sein. Sie lauschte angespannt. Kein Mensch ließ sich blicken … Auch in dem LKW mit dem laufenden Motor war niemand zu sehen, lediglich ein Tor des Lagerhauses stand offen. Es hatte keinen Sinn, länger zu warten. Sie musste es riskieren. Entschlossen kletterte sie rückwärts aus dem Schacht hinaus, und als sie sich nicht mehr halten konnte, rutschte sie an der rauen Wand hinab. Sie landete auf den Füßen, hatte aber so viel Schwung, dass sie zur Seite kippte und sich mit den Händen am Boden abstützen musste. Ein scharfer Schmerz fuhr ihr in den linken Knöchel. Die Stelle war ihr Schwachpunkt, dank einer alten Verletzung, die ihr das harte Training in der Kindheit eingebracht hatte. Akrobatik! Damals hatte man auch sie zur Artistin ausbilden wollen – selbst das Messerwerfen war ihr beigebracht worden. Doch irgendwann rächte sich alles. Julia biss sich auf die Lippe. Verdammt, das fehlte noch, dass sie nicht mehr laufen konnte!
    Sie richtete sich auf. Vorsichtig belastete sie ihren linken Fuß; spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach. Es tat weh, aber sie konnte es aushalten. Was blieb ihr auch anderes übrig? Jetzt musste sie überlegen, was sie als Nächstes tun sollte. Sie könnte in ihr Apartment humpeln und den Fuß kühlen, oder sie könnte sich mit einer halbgaren Erklärung in der Krankenstation beim Betriebsarzt melden. Aber die Überwachungskameras im Labortrakt hatten sie erfasst. Die Wahrscheinlichkeit, dass man sie auf den Aufnahmen wiedererkannte, war hoch. Und sie hatte zu viel gesehen. Wenn man sie einsperrte oder Schlimmeres mit ihr anstellte,

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