Dornteufel: Thriller (German Edition)
sie über ihr Handy orten können? Sie ließ es daher ausgeschaltet und nahm den Akku heraus, entschied sich aber, es erst einmal zu behalten.
Spätestens morgen früh würde man ihr Fehlen bemerken, wenn sie nicht zum Frühstück und auch nicht an ihrem Arbeitsplatz erschien. Man würde das Gelände nach ihr absuchen. Spätestens danach müsste den Verantwortlichen klar sein, dass es sich bei der Gestalt, die nachts in dem Labor von zwei Kameras erfasst worden war, um die Klimatechnik-Ingenieurin Julia Bruck handelte. Wie sie in das Labor hatte eindringen können, war dann auch kein Rätsel mehr: Sie hatte den Deckel am ingång nicht wieder verschließen können.
Der Fahrer des LKWs bremste immer mal wieder ab. Sollte sie irgendwann abspringen? Sie hatte die Chance, im Dunkel der Nacht zu entkommen. Auch könnte sie warten, bis der Fahrer die erste Pause einlegte, und dann ungesehen den LKW verlassen. Nur wohin? Oder sollte sie erst einmal dafür sorgen, dass sie weit entfernt vom Forschungszentrum war? Es bestand aber die Gefahr, dass ihr Eindringen in das Labor schneller entdeckt wurde. Dann lag auch die Verbindung zu dem Abluftschacht, dem Parkplatz und diesem LKW nahe. Sie konnten den Fahrer anrufen oder das Fahrzeug stoppen lassen …
Plötzlich fuhr der Wagen viel zu schnell durch eine enge Kurve und legte sich dabei so stark zur Seite, dass Julias verletzter Fuß abrutschte und auf den Boden prallte. Der Schmerz ließ kleine rote Punkte vor ihren Augen aufleuchten. Der LKW schaukelte hin und her, als würde er über eine Buckelpiste fahren. Julia kroch zu der Stelle, wo sie die Plane aufgeschlitzt hatte, und zog sie auseinander. Im Mondlicht erkannte sie schmale Felder und eine Ansammlung von Hütten rund um einen alten Banyanbaum. Der LKW bremste und hielt an. Eine Fahrzeugtür wurde geöffnet, dann waren Schritte zu hören.
Julia überlegte, was der Grund für diesen Stopp sein könnte. Möglicherweise wohnte der Fahrer hier im Dorf, oder er wollte eine Rast einlegen. Dann könnte sie nun unbemerkt aussteigen und verschwinden, bevor jemand bei Serail Almond eine Verbindung zwischen dem Eindringling im Labor, dem geöffneten Abluftkanal und diesem LKW herstellte. Das Verschwinden zu Fuß würde mit dem verletzten Knöchel allerdings schmerzhaft sein und vielleicht sogar misslingen. Die Gefahr, entdeckt zu werden, war jedoch im Fahrzeug höher als irgendwo da draußen. Daher kroch sie durch den Schlitz in der Plane, ließ sich vorsichtig zu Boden gleiten und schaute sich um. Vor ihr war das Dorf, links und rechts lagen die Felder, die leider keinerlei Versteckmöglichkeiten boten, und hinter ihr wand sich ein Weg, der zur Hauptstraße führen musste.
Würde sie in diesem Dorf Hilfe finden? Vielleicht gab es hier sogar eine Polizeistation? Aber würde sie den Beamten trauen können? Sie erinnerte sich, was Gallagher ihr über die Polizei in Bihar erzählt hatte: dass es Probleme mit Korruption gab. Dies bedeutete freilich nicht, dass sich die Leute von Serail Almond diesen Umstand nicht ebenfalls zunutze machten; möglicherweise bestachen sie Polizisten, damit ihre Machenschaften nicht aufflogen.
Sie hatte nach dem Halten des LKWs gehört, wie der Fahrer ausgestiegen war; trotzdem kletterte Julia auf die Trittstufe und versicherte sich mit einem Blick in die Fahrerkabine, dass diese leer war. Durch die Fenster hindurch sah sie, wie der Fahrer auf der anderen Seite des LKWs mit einem weiteren Mann zusammenstand. Beide rauchten, und die Zigaretten glommen immer wieder in der Dunkelheit auf, während sie miteinander redeten.
Julia vernahm Motorgeräusche und drehte sich um. Aus Richtung Hauptstraße tauchte ein Paar Autoscheinwerfer auf, das rasch näher kam. Dahinter folgte ein zweiter Wagen, wie sie einen Moment später erkannte. Rasch presste sie sich dicht an das Fahrerhaus. Sie hörte, wie die Wagen auf der anderen Seite des LKWs anhielten und Autotüren aufklappten. Vorsichtig spähte Julia durch die Fenster des Fahrerhauses und sah, dass zwei Personen aus den Wagen gestiegen waren.
A N B ORD DER A URORA
Kamal wachte auf. Sein Arm, dessen Handgelenk man an das Rohr gebunden hatte, war eingeschlafen, und es stach bis in seine Fingerspitzen, als er ihn bewegte. Er war allein. Und er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, eingeschlafen zu sein. Vor ihm standen noch der Aluteller, von dem er gegessen hatte, und ein paar Wasserflaschen. Er griff nach einer vollen Flasche und trank in großen
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