Dornteufel: Thriller (German Edition)
zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich kenne diesen Mann nicht. Was hatte er in meiner Wohnung zu suchen, ich verstehe das nicht …«
»Wir gehen davon aus, dass Frank Gellert auch der Täter im Mordfall Simone Bertrand ist. Er ist jetzt zur Fahndung ausgeschrieben.«
»Soll mich das beruhigen?«
»Es ist immerhin ein Anfang. Wir sind nach kurzer Zeit schon recht weit, da wir einen DNA-Beweis haben. Er hat übrigens auch Spuren in der Wohnung von Madame Bertrand hinterlassen. Hautschuppen, ein paar Haare.«
»Aber warum das Ganze? Was wollte er?« Von mir , fügte Rebecca in Gedanken hinzu. Was wollte ein fremder Mann in meiner Wohnung mit einem Foto von mir? Warum zum Teufel hat er in meinem Badezimmer in meinen Slip onaniert? … Aber sie konnte es nicht aussprechen. Diese Juliette Reyer ahnte sowieso, was sie dachte. Ihr Gesicht war angespannt.
»Ehrlich gesagt, wissen wir es nicht. Es war kein klassischer Wohnungseinbruch. Bei niemandem im Haus fehlt etwas. Der Mord war aber auch keine Verdeckungstat, durch die eine Vergewaltigung vertuscht werden sollte. Allenfalls wollte der Täter verhindern, dass durch Madame Bertrand jemand erfährt, dass er in Ihrer Wohnung war.«
»War er denn nicht auch in den anderen Wohnungen im Haus?« Rebecca hörte, dass ihre Stimme flehentlich klang, und sie hasste das. Aber hätte dieser Frank Gellert auch in anderen Wohnungen Einbrüche verübt, dann wäre das … Ja, was eigentlich? Ein Trost? Eine Erleichterung? Der Hinweis darauf, dass er es nicht exklusiv auf sie abgesehen hatte. Vor ihrem inneren Auge sah sie plötzlich Madame Bertrand ermordet vor sich liegen und schämte sich. Was der Täter ihr angetan hatte, war schlimm, aber sie lebte, sie war gesund. Er hatte sie nicht einmal angefasst.
»Wir gehen momentan davon aus, dass er nur in Ihrer Wohnung gewesen ist. Aber da es an keiner der Türen Einbruchspuren gibt, auch nicht an Ihrer, können wir das nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen«, erklärte Reyer.
»Warum sollte dieser Mann nur bei mir einbrechen? Ich kenne ihn nicht, und ich besitze und bin auch nichts Besonderes!«
»Irgendwie müssen Sie seine Aufmerksamkeit erregt haben. Sie sind eine gut aussehende Frau, die sich auffallend zurechtmacht.« Die Polizistin registrierte Rebeccas wütenden Blick und hob beschwichtigend die Hand. »Verstehen Sie mich nicht falsch. Sie trifft dadurch ja keine Schuld. Ich will nur sagen, dass es vorstellbar ist, dass er Sie irgendwo, auf der Straße oder in einem Geschäft, gesehen hat und Ihnen gefolgt ist. So etwas kann sich eine lange Zeit hinziehen und bis zur Besessenheit steigern.«
»Ein Stalker?«
»So in etwa. Ist Ihnen nichts aufgefallen?«
»Das hätte ich Ihnen wohl schon längst mitgeteilt, oder? In meinem Haus ist ein Mord geschehen.«
»Unser Psychologe sagt, dass es bei so einem Typ von Täter eine Vorgeschichte geben muss. Der Täter hat sich Ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit vorher schon mal genähert, hat Sie beobachtet, Sie getestet, wie Sie reagieren … Er ist nicht spontan, nachdem er Sie nur einmal gesehen hat, in Ihr Haus marschiert, hat die Concierge ermordet und sich dann mit Ihrer Unterwäsche beschäftigt. Es muss vorher schon was passiert sein. Dann hat es sich gesteigert. Langsam.«
Rebecca fühlte Übelkeit in sich aufsteigen. »Es steigert sich, sagen Sie? Es ist noch nicht vorbei?«
Die Polizistin sah unbehaglich in Richtung Tür. »Ich würde gern einen Kollegen hinzuholen, wenn Ihnen das recht ist.«
»Habe ich eine Wahl?«
»Nein.«
20. Kapitel
P ARIS , F RANKREICH
Der Mann, der kurz darauf hinzukam, hatte ein schmales Gesicht mit scharfem Profil. Er betrachtete Rebecca wie ein Insekt, das er studieren wollte – interessiert, aber vollkommen emotionslos. Er trug eine ausgefranste Jeans und ein zerknittertes Hemd; es sagte mehr über ihn aus, als ein Anzug oder eine Uniform es getan hätten: Seht her, ich hab es nicht nötig, mich über Kleidung zu profilieren. Auch Juliette Reyer schien sich in seiner Gegenwart unwohl zu fühlen. Sie sah so aus, als sei ihr plötzlich bewusst geworden, dass ihr Blazer unter den Achseln spannte und ihr korrekt zu einem Zopf zusammengebundenes Haar schon wieder fettig wurde.
»Frank Gellert«, sagte der Polizist und blätterte in der Akte. »Wir werden da eng mit den deutschen Kollegen zusammenarbeiten müssen. Haben Sie Verbindungen nach Deutschland, Madame Stern?«
»Nein, keine besonderen. Ich bin Amerikanerin und lebe und
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