Dornteufel: Thriller (German Edition)
arbeite seit acht Jahren in Frankreich.«
»Und die nicht besonderen?«
»Ich arbeite als Personalberaterin. Natürlich haben wir gelegentlich deutsche Manager, die wir vermitteln, und hin und wieder auch deutsche Firmen als Kunden. Aber da gibt es nichts, was ich mit dem Mord an Madame Bertrand in Verbindung bringen kann.«
»Das zu beurteilen müssen Sie schon uns überlassen. Wir benötigen eine Liste Ihrer Kontakte der letzten, sagen wir, zwei Jahre.«
Rebecca nickte. »Da ist noch etwas«, merkte sie zögernd an. Sie ärgerte sich, dass sie es nicht schon zur Sprache gebracht hatte, als sie noch mit Juliette Reyer allein gewesen war.
Er zog fragend die Augenbrauen hoch.
Sie berichtete von ihrem Eindruck, dass der Mann schon einmal in ihrer Wohnung gewesen war. Damals hatte sie aber nichts gehabt als ein schmutziges Wäschestück und diesen seltsamen Geruch im Bad, der schnell wieder verflogen war.
Er hörte ihr aufmerksam zu. »Hat Madame Bertrand Ihnen gegenüber mal erwähnt, dass jemand Sie besuchen wollte oder nach Ihnen gefragt hatte?«
Rebecca dachte nach, doch sie konnte sich an nichts dergleichen erinnern.
»Wann genau hatten Sie zum ersten Mal den Eindruck, dass jemand bei Ihnen in der Wohnung gewesen ist?«, fragte die Polizistin.
»Das kann ich nicht sagen«, meinte Rebecca hilflos. »Es war, bevor meine Schwester aus New York mich besucht hat, denn wenn sie schon da gewesen wäre, hätte ich sie gefragt, ob sie während meiner Abwesenheit jemanden in die Wohnung gelassen hat.« Moira hatte tatsächlich jemanden hereingelassen – und zwar Noël –, und das war ein Fehler gewesen. Rebecca drängte den Gedanken beiseite. »Und nach der Abreise meiner Schwester kann es nicht gewesen sein. Dann würde ich mich besser daran erinnern.«
»Ach, so ist das«, sagte der Polizeibeamte und drehte sich zu seiner Kollegin. »Jetzt haben wir noch eine zweite Möglichkeit. Und zwar die, dass Frank Gellert nicht an ihr«, er ruckte den Kopf in Rebeccas Richtung, »sondern an ihrer Schwester interessiert ist. Besser spät als nie.« Er wendete sich wieder Rebecca zu. »Wie heißt Ihre Schwester, und wo wohnt sie?«
»Moira Stern«, antwortete Rebecca. »Ehemals wohnhaft in Manhattan, New York, USA.«
»Und weiter? Wie können wir mit ihr in Kontakt treten?«
»Sie können sie nicht sprechen. Es sei denn, Sie wollen es auf dem Cimetière de Montrouge an der Porte d’Orléans versuchen.«
A N B ORD DER A URORA
Das Schiff der Hilfsorganisation Hanseatic Real Help sah, von hier oben betrachtet, winzig aus. Kamal gewann im Licht der Scheinwerfer den Eindruck, dass das ehemalige Lotsenfahrzeug auch schon mal bessere Tage gesehen hatte. Es lag seit einer Viertelstunde an der Backbordseite der Aurora . Sie befanden sich noch in internationalen Gewässern; so hatten es der Kapitän des Frachters und der des anderen Schiffes miteinander abgesprochen.
Kamal stand mit Navid und zwei Besatzungsmitgliedern an der Lotsenpforte der Aurora , die ihm in den letzten Tagen recht vertraut geworden war. Er sah zweifelnd hinunter. Zwei Offiziere hatten sie bis hierher begleitet. Einer von ihnen hielt Funkkontakt mit der Brücke, um das Übersetzen zu koordinieren. Alles war vorbereitet. Nun war Kamal an der Reihe. Er blickte hinab. Die Strickleiter schwang an der nackten Stahlwand des Frachters hin und her. Darunter tanzte das aus dieser Perspektive winzige Schiff im schäumenden Wasser. Es war kurz nach elf Uhr am Abend, der Himmel bewölkt, die See aufgewühlt. Alles in Kamal sperrte sich gegen den Abstieg, und auch Navids Augen waren vor Angst weit aufgerissen. Doch es nützte nichts. Nach all den Mühen, die andere auf sich genommen hatten, um ihnen beiden diese Chance zu geben, konnten sie jetzt nicht kneifen.
Er war angegurtet, sagte er sich. Er würde nicht abstürzen und zwischen die Schiffe fallen, die sich durch den starken Wellengang immer wieder aufeinander zubewegten und dabei fast zusammenprallten. Niemand hatte gesagt, dass der Weg in die Freiheit einfach oder ungefährlich sein würde. Und gegen das, was die kleine Hadia erdulden musste, gegen das, was Davut erlitten hatte, war das hier doch ein Kinderspiel.
Er griff nach der Leiter und tastete mit dem rechten Fuß in der Luft herum, bis er die erste Sprosse spürte. Der Mann, den er immer noch als seinen Retter betrachtete, rief ihm etwas zu, doch der Wind heulte so laut, dass Kamal ihn nicht verstand. Sprosse für Sprosse kletterte er hinunter. Einmal
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