Double Cross. Falsches Spiel
her kräftig gegen Colvilles rechte Kniescheibe. Der große Mann heulte vor Schmerz auf. Neumann versetzte ihm drei weitere schnelle Tritte. Colville war jetzt praktisch kampfunfähig und geriet sichtlich in Panik. Offensichtlich war er noch nie an einen Mann geraten, der so kämpfte wie Neumann.
Neumann glitt nach links und zwang Colville, sein Gewicht auf das lädierte Bein zu verlagern. Colville konnte kaum noch stehe n. Er schien am Ende.
Neumann ging zurück zum Pub. Da verlagerte Colville sein Gewicht auf das unversehrte Bein und machte einen Satz nach vorn. Neumann, völlig überrascht, konnte nicht schnell genug ausweichen. Colville prallte gegen ihn und drückte ihn gegen die Mauer. Es war, als hätte ihn ein Lastwagen gerammt. Er rang nach Atem. Dann riß Colville den Kopf nach oben und erwischte ihn am Kinn. Neumann biß sich in die Zunge, Blut schoß ihm in den Mund.
Bevor Colville wieder zuschlagen konnte, stieß ihm Neumann das Knie in den Unterleib. Colville stöhnte laut auf und krümmte sich. Wieder hob Neumann das Knie und rammte es Colville ins Gesicht, daß die Knochen krachten. Dann trat er vor, hob den Arm und stieß den Ellbogen nach unten gegen Colvilles Schläfe.
Colville knickte in den Knien ein und brach halb bewußtlos zusammen.
»Steh nicht auf, Martin«, sagte Neumann. »Wenn du weißt, was gut für dich ist, bleibst du liegen.«
Dann hörte Neumann jemanden schreien. Er schaute auf und sah Jenny auf sich zu rennen.
Am Abend lag Neumann wach in seinem Bett. Er hatte eine Weile geschlafen, war aber von den Schmerzen wieder aufgewacht. Jetzt lag er ganz still da und lauschte dem Wind, der von der Seite her gegen das Cottage peitschte. In der Ferne hörte er die Wellen gegen das Ufer branden. Er hatte keine Ahnung, wie spät es war. Seine Armbanduhr lag auf dem kleinen Nachttisch neben dem Bett. Er stützte sich auf den Ellenbogen, beugte sich hinüber, wobei er vor Schmerzen stöhnte, und sah auf das Leuchtzifferblatt. Kurz vor Mitternacht.
Er ließ sich in das Kissen zurückfallen und starrte an die Decke. Der Kampf mit Colville war ein dummer Fehler gewesen. Er hatte seine Tarnung und damit die Operation gefährdet. Und er hatte Jenny weh getan. Sie hatte ihn vor dem Pub angeschrien und mit den Fäusten gegen seine Brust getrommelt. Sie war außer sich gewesen, weil er ihren Vater zusammengeschlagen hatte. Dabei hatte er dem Scheißkerl nur eine Lektion erteilen wollen. Doch der Schuß war nach hinten losgegangen. Nun, da er im Bett lag und dem an-und abschwellenden Brausen des Windes lauschte, fragte er sich, ob die Operation nicht zum Scheitern verurteilt war. Er dachte an Catherines Warnung in Hampstead Heath: In letzter Zeit ist einiges schiefgelaufen. Ich glaube, daß meine Tarnung bald auffliegt. Er dachte an Vogels Befehl, sich zu vergewissern, ob Catherine beschattet wurde. Und vor allem fragte er sich, ob einem von ihnen - Vogel, Catherine oder ihm selbst - nicht bereits verhängnisvolle Fehler unterlaufen waren.
Seine Verletzungen quälten ihn. Er hatte schwere Rippenprellungen jeder Atemzug schmerzte -, doch gebrochen war allem Anschein nach nichts. Seine Zunge war geschwollen, und wenn er sie am Gaumen rieb, spürte er den Riß. Er hob die Hand und faßte sich an die Wange. Mary hatte versucht, die Platzwunde zu schließen, ein Arztbesuch kam nicht in Frage. Er vergewisserte sich, daß der Verband noch richtig saß. Bei der leisesten Berührung brannte sein Gesicht vor Schmerz.
Neumann schloß die Augen und versuchte zu schlafen. Er begann gerade einzudösen, da hörte er Schritte draußen auf dem Flur. Instinktiv griff er nach der Mauser. Wieder hörte er Schritte, dann das Knarren des Fußbodens unter dem Gewicht eines Körpers. Er hob die Mauser auf und richtete sie auf die Tür. Er hörte, wie jemand die Klinke drückte. Wenn der MI5
mich holt, dachte er, wird er bestimmt nicht versuchen, nachts in mein Zimmer zu schleichen. Aber wenn es nicht der MI5 oder die Polizei war, wer zum Teufel war es dann? Die Tür ging auf, und eine kleine Gestalt stand in der Öffnung. Neumann sah in dem schwachen Licht, das zum Fenster hereinfiel, daß es Jenny Colville war. Er legte die Mauser auf den Fußboden neben dem Bett und flüsterte: »Was um alles in der Welt willst du denn hier?«
»Ich wollte nur wissen, wie es Ihnen geht.«
»Wissen Sean und Mary, daß du hier bist?«
»Nein. Ich bin einfach reingegangen.« Sie setzte sich auf den Rand des schmalen Betts. »Wie
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