Down Under - Reise durch Australien
geologische Besonderheit zu wandern und darüber nachzugrübeln, wie die Dinger wohl entstanden sein mochten, aber noch einmal würde ich nicht dorthin fahren. Unser Führer vertraute uns an, dass viele Touristen ähnliche Erfahrungen mit der oft abgebildeten Rock Wave gemacht hätten. Um zu dieser kuriosen Felsformation zu gelangen, die wie eine versteinerte, sich gerade überschlagende Welle aussieht, hat man jedoch einen Anfahrtsweg von sechs Stunden zu bewältigen, nur um zehn Minuten bewundernd davorzustehen, zwei Fotos zu schießen und sich dann auf den sechsstündigen Rückweg zu machen. Darauf haben wir verzichtet.
Matt
D er folgende Abend sollte eine bittere Wendung in unser Leben bringen. Wir hatten uns in das Internetcafé im Hostel gesetzt, um endlich einmal wieder unsere E-Mails zu sichten.
Es war Post von Joe aus Adelaide dabei. Wir freuten uns, etwas von Joe zu hören, denn er und die anderen Jungs hatten uns schon ein Weilchen nicht geschrieben, und wir waren gespannt zu lesen, was es Neues gab.
Schon nachdem ich die ersten Worte gelesen hatte, wurde mir klar, dass etwas Schreckliches passiert sein musste. Matt hatte einen Unfall mit seinem Motorrad gehabt! Als ich weiterlas, wurde mir eiskalt, und ich spürte, wie Gina neben mir anfing zu zittern. Matt hatte diesen Unfall nicht überlebt.
Die Worte verschwammen vor meinen Augen. Wie ein Blitz schossen Bilder aus der Zeit mit den Jungs aus Adelaide vorbei. Ich fühlte, wie ich ins Bodenlose fiel, wie all das Schöne, das uns bis zu dieser Sekunde begleitet hatte, mit einem Schlag einer furchtbaren Trauer wich. Der Schock riss Gina mit sich, und es war unmöglich, sie zu beruhigen. Stundenlang lagen wir uns in den Armen. Ich konnte sie nicht beruhigen, nicht trösten. Nur für sie da sein. Matt war ihre erste große und tiefe Liebe gewesen, und der Schmerz war unbeschreiblich.
Niemals hätten wir jetzt weiterreisen können. Wie in Trance buchte ich einen Flug von Perth nach Adelaide. Wir wollten der Familie von Matt und seinen Freunden in dieser Stunde beistehen. Und ich wollte, dass Gina ebensolchen Beistand bekam, von mehr Menschen als nur von mir. Das war vor allem in den ersten Tagen von sehr großer Bedeutung, damit sie nicht den Boden unter den Füßen verlor.
Die Zeit bis zu Matts Beerdigung verbrachten wir wie von der übrigen Welt abgeschnitten. Matts Familie, seine Freunde Joe, Malcolm, Steve, Timmy, Claire und Daniel wuchsen mit uns zu einer Einheit zusammen, die niemand jemals wieder auseinanderbringen kann. Jeden Tag fuhren wir hinaus zum Windy Point , einem Aussichtspunkt, von dem aus man ganz Adelaide überblicken kann. Dort oben saßen wir bis spät in die Nacht in Decken gehüllt, tranken viel zu viel und redeten über Matt, die Welt und das Leben. Wir lachten, um unsere Trauer und Hilflosigkeit zu überspielen, und wir weinten, weil niemand von uns das lange durchhalten konnte. Wir waren einfach füreinander und vor allem für Gina da.
Als wir endgültig von ihm Abschied nehmen mussten und in der Kapelle ein letztes Mal in sein bleiches Gesicht sahen, war es, als würde er gleich aufstehen, lachen und mit uns hinaus in die Sonne gehen. Vielleicht hat er uns von oben zugeschaut und es wahr gemacht. Denn fortgegangen ist er nicht. Er ist bei uns, ist in unseren Seelen und in unseren Herzen geblieben und wird jeden seiner Freunde bis an das Ende des eigenen Lebens begleiten. Gina und ich werden ihn immer neben uns fühlen.
Du fehlst uns, Matt.
Broome
D er Schock über Matts Tod wirkt bis heute nach. Mein Leben hatte einen Schlag bekommen, eine Erfahrung, die ich bis dahin nicht gekannt hatte, und die ich niemals machen wollte. Die aus so vielen Jahrtausenden erworbene Weisheit der Aborigines hilft auch in einer solchen Phase des Lebens, über einen Verlust hinwegzukommen. Was zwischen Geburt und Tod liegt, sind nichts als Momente. Momente, die einem gegeben sind, um diese kleine Spanne des Daseins mit eigenem Bewusstsein zu füllen. Jeden Augenblick im Laufe des Seins für andere da zu sein, bewusst zu leben und seine Sinne für die wichtigen Dinge des Lebens bereitzuhalten. Im Moment des Verlusts blendet man alles andere aus, meint, das Leben ist zu Ende, und nichts wird sein wie zuvor.
Eine Kerbe bleibt zurück. Sandy und ich gehen seit diesem Tag anders durchs Leben. Ich nehme Dinge intensiver auf als zuvor. Ich schätze Kleinigkeiten, sehe den Wert des Alltäglichen und ignoriere die Borniertheit vieler Mitmenschen.
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