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Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Titel: Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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gespenstische Bild, das Novak hinterlassen hatte, zu fixieren.
    Er nahm das Fotopapier und tauchte es behutsam ins Entwicklerbad.
    Ich beugte mich vor. Ich wusste, dass ich auf nichts hoffen durfte, doch ich hoffte trotzdem.
    Zehn Sekunden verstrichen, und das Papier blieb leer. Nach weiteren zehn Sekunden tauchte ganz allmählich ein Bild auf, wie etwas, was sich langsam aus dichtem Nebel materialisiert.
    Als dreißig Sekunden verstrichen waren, konnte ich sagen, was dieses Etwas war. Ein junger Mann, ein junger Soldat, tauchte auf aus dem Nebel der Zeit. Er lag in einem flachen, frischen Krater in der Erde. Sein Kopf war zur Seite gedreht, und an seiner rechten Schläfe sah ich einen dunklen Kreis. Ich hatte eine Vermutung, was der dunkle Kreis war, obwohl ich mir nicht sicher sein konnte.
    Eines war jedoch unverkennbar. Die offenen, stieren Augen waren die eines Toten.

TEIL 2
    Ich bin der Tod, der alles raubt, Erschütterer der Welten.
     
    Robert Oppenheimer zitiert nach dem Trinity-Atomtest am 16. Juli 1945 sinngemäß aus der Bhagawadgita.
     
    Jetzt gehen wir alle als Dreckschweine in die Geschichte ein.
     
    Kenneth Bainbridge, »Trinity«-Testleiter

16
    Ich nahm die Solway Bridge über den Clinch River und ließ den achthundert Meter langen Streifen aus Supermärkten und Autowerkstätten und leeren Obst- und Gemüseständen hinter mir. Die Brücke markierte eine Grenze, eine Trennlinie. Sobald meine Räder auf der anderen Seite waren, war ich auf das Land hinübergewechselt, das General Leslie Groves für das Manhattan-Projekt beansprucht hatte: zwanzigtausend Hektar, von drei Seiten vom Clinch River begrenzt, auf der vierten vom Black Oak Ridge und in allen Richtungen von dem eigentümlichen Gefühl, dass der Zweite Weltkrieg in dieser Falte im Raum-Zeit-Kontinuum noch fortbestand. Obwohl die Sicherheitsposten an der Brücke und an den anderen Zufahrten zu Oak Ridge längst demontiert worden waren, sah ein Großteil des Geländes immer noch so aus wie während des Krieges, und es war vielleicht nur natürlich, dass die Stadt und ihre Bewohner dazu neigten, in der schwarz-weißen Bedeutsamkeit der Vergangenheit zu verweilen.
    Aus einer Laune heraus nahm ich diesmal einen anderen Weg nach Oak Ridge, ich wählte die Abfahrt BETHEL VALLEY ROAD, die zum Oak Ridge National Laboratory und zu der Y-12-Anlage führte. An der Straßengabelung hielt ich mich rechts und nahm die Scarboro Road. Ich überquerte einen niedrigen Kamm, fuhr hinunter ins Union Valley und sah zu meiner Linken den riesigen Y-12-Komplex, der sich hinter einem hohen Maschendrahtzaun erstreckte. Mein Blick fiel auf eine Ansammlung großer, breiter Gebäude. Ihre soliden Stahlbetonrahmen waren mit roten Backsteinen ausgemauert, und unter der Dachkante waren schmale Fenster eingebaut worden, damit Tageslicht in das höhlenartige Innere fiel. Von den Fotos im Archiv und in der Stadtbücherei wusste ich, dass dies die Gebäude waren, in denen Beatrice und die anderen Calutron-Mädchen für die Hiroshima-Bombe Uran-235 von Uran-238 getrennt hatten.
    Vierhundert Meter weiter führte die Straße durch eine Lücke in einem niedrigen, bewaldeten Hügelkamm, und die Y-12-Anlage geriet außer Sichtweite. Kurz hinter der Lücke sah ich ein kastenförmiges Beton-Wachhaus, dessen Fenster und Schießscharten vor langer Zeit mit Brettern vernagelt worden waren; es markierte den Punkt, wo einst ein Tor zu der Geheimen Stadt gewesen war. Als ich an dem Wachhaus vorbeifuhr, verließ ich das ORNL-Gelände und gelangte in die Stadt, kehrte der Vergangenheit den Rücken und wandte mich wieder der Gegenwart zu. Doch als ich auf den Parkplatz der Polizeidienststelle hinter der Stadtverwaltung fuhr, wurde ich das Gefühl nicht los, mit einem Fuß im einundzwanzigsten Jahrhundert zu stehen und mit dem anderen im Zweiten Weltkrieg. Und manchmal war es schwer zu sagen, welcher Fuß auf festerem Grund stand.
     
    Detective Jim Emert betrachtete einen Abzug durch ein Vergrößerungsglas, dann legte er die Lupe entnervt weg. »Zum Teufel«, sagte er, »das Bild ist so grobkörnig, das wird beim Vergrößern ja nur noch schlimmer.«
    Eine Stunde vorher hatte ich in meinem Büro unter dem Stadion genau dasselbe gemacht. Den Abzug auf diese Weise zu vergrößern war, als blähte man ein Zeitungsfoto zu einer bedeutungslosen Wolke von Punkten auf. »Die Abzüge sind nicht besonders toll«, sagte ich, »aber es ist erstaunlich, dass überhaupt etwas drauf ist.« Angesichts der

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