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Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Titel: Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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Tatsache, wie schwach die Bilder auf dem Film waren, wusste ich nicht recht, ob ich den Mann bei Thompson als Fotolaboranten oder als Medium betrachten sollte. Nachdem er das erste verblüffende Bild der Leiche des jungen Soldaten hervorgezaubert hatte, hatte Rodney die halbe Nacht und den ganzen Vormittag mit verschiedenen Belichtungszeiten, Kontrastfiltern und Entwicklerbädern herumexperimentiert. Er versuchte es mit Nachbelichten und Abwedeln, was durchaus wörtlich zu verstehen war: Um die Lichtmenge zu steuern, die auf verschiedene Bereiche des Fotopapiers fiel, wedelte er mit einem schwarzen Tonkarton vor der Linse herum. Außerdem hatte er die Negative eingescannt, um sie am Computer digital zu bearbeiten. Kurz gesagt, er hatte sämtliche Tricks aus dem Ärmel gezogen, um diesem gespenstischen Film noch das letzte Stückchen Bild zu entlocken. Als er fertig war, hatte er hundert Blatt Fotopapier verbraucht … und eine Bildfolge produziert, die eine gruselige Geschichte erzählte.
    Das erste Bild zeigte das Heck eines Oldtimers – Ende der 30er-Jahre, schätzte ich, dem schwarzen Lack, den bauchigen Kotflügeln und den kleinen Fenstern nach zu schließen. Der Kofferraumdeckel war offen, und im Kofferraum lag ein blasses Bündel. Die Details ließen einiges zu wünschen übrig, doch ich hatte im Laufe der Jahre genügend in Decken gewickelte Leichen in genügend Kofferräumen gesehen, um zu wissen, was ich da vor mir hatte. Das zweite Bild zeigte das Bündel, wie es neben einem flachen, runden, frisch wirkenden Krater lag. Auf dem dritten und dem vierten Bild lag die Leiche – die nicht mehr in die Decke oder das Laken gewickelt war und irgendetwas Dunkles trug – in dem Krater. Diesen dritten Abzug hatte Rodney entwickelt, als ich ihm in der Dunkelkammer über die Schulter geschaut hatte. Doch der fünfte und der sechste Abzug waren noch beklemmender, denn sie zeigten Nahaufnahmen vom Kopf und vom Gesicht des Mannes, der uns über den Abgrund der Zeit hinweg mit leeren Augen anstarrte.
    Emert legte die letzte Vergrößerung zur Seite. »Das Seltsame ist doch«, sagte er, »abgesehen davon, wer zum Teufel der Tote ist und was zum Teufel hier los ist, die Frage, warum Novak die Fotos überhaupt gemacht hat? Und warum hat er sich so viel Mühe gegeben, den Film all die Jahre zu konservieren? Und warum um Himmels willen hat er den Film nicht entwickeln lassen, wenn er die Bilder aufbewahren wollte?«
    »Ein ganzer Haufen Merkwürdigkeiten«, meinte ich. »Sie sind ein Mann mit vielen Fragen.«
    »Das hat meine Mutter auch immer gesagt, als ich noch klein war«, versetzte er. »So bin ich eben, und ich mache einfach das Beste daraus. Ich sehe es so: Stellt man genügend Leuten oft genug genügend Fragen, bekommt man früher oder später eine Antwort, mit der man etwas anfangen kann.«
    Ich hatte über dieselben Merkwürdigkeiten nachgedacht wie Emert und dazu noch über ein paar andere. »Vielleicht belasten die Fotos nicht Novak«, meinte ich, eingedenk des zerknüllten Zettels vor Novaks Haustür. »Vielleicht belasten sie jemand anderen. Jemanden, dessen Geheimnis er kannte. Vielleicht hat Novak denjenigen erpresst.«
    »Wenn er den Erpresserbrief weggeworfen hat, war er aber ein ziemlich lausiger Erpresser«, meinte Emert.
    »Vielleicht hatte er den Dreh noch nicht ganz raus«, sagte ich. »Vielleicht wollte er die Nachricht eigentlich wegschicken und hat es sich dann doch anders überlegt.«
    »Ach, kommen Sie, Doc er hatte diese Filmpatrone verdammt lange auf Eis liegen. Wenn er jemanden erpressen wollte, hätte er das schon vor Jahrzehnten getan, solange sein Opfer noch gesund und munter war und Novak jung genug, um sich mit dem Geld ein schönes Leben zu machen. Abgesehen davon haben Sie doch seine Handschrift auf dem Schreibblock gesehen. Sie passt nicht zu der zerknüllten Nachricht.«
    Der Detective hatte recht. Novaks Handschrift war klein und exakt. Die Buchstaben auf dem Zettel waren groß und ausladend. »Okay, ich geb’s auf«, sagte ich. »Haben Sie irgendwelche Theorien?«
    »Eigentlich nicht«, räumte er ein. »Alles, was mir einfällt, ist, dass er vielleicht irgendeine Art von Versicherung wollte, ein Druckmittel, um es im Bedarfsfall einzusetzen. Doch er wollte das Risiko minimieren, dass jemand zufällig auf die Fotos stößt – die Haushälterin oder eine Krankenschwester vom Pflegedienst oder wer auch immer –, also hat er den Film nicht entwickeln lassen. Keine besonders

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