Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre
hübsche Gärten, und Kriminalität existierte praktisch nicht.
Glücklich bis ans Ende ihrer Tage, richtig?
Nur dass es bei uns nicht so war.
Aber das ist eine andere Geschichte, Bill. Eine andere Geschichte für einen anderen Tag.
15
Beatrice schmetterte alle Fragen ab, die ich nach Novak stellte. »Ich bin müde«, sagte sie. »Es ist zu traurig, jetzt darüber zu reden.« Und dann fügte sie hinzu: »Wie heißen Sie noch mal?« Der plötzliche vage Anflug von Senilität mochte eine Masche sein, doch wenn ich sie in diese Ecke drängte, ließ sie sich womöglich nie wieder herauslocken. Angesichts der Tatsache, dass Emert und Thornton bei ihr gar nichts erreicht hatten, fand ich, dass jetzt ein strategischer Rückzug angezeigt war.
Ich schaute auf meine unzuverlässige Armbanduhr. »Ich habe Ihre Gastfreundschaft lange genug in Anspruch genommen«, sagte ich, »und ich mache mich besser auf den Weg zurück zur Universität. Es war sehr schön, mit Ihnen zu plaudern, Beatrice. Was meinen Sie, kann ich irgendwann mal wiederkommen?«
Sie beäugte mich scharf, als wollte sie meine Absichten einschätzen oder beurteilen, ob ich aufrichtig war. Da lächelte ich sie an, und es war ein ehrliches Lächeln – sie war wirklich eine bemerkenswerte Frau –, und dieses Lächeln schien die Waagschale zu meinen Gunsten zu neigen. »Selbstverständlich, Bill«, sagte sie, »wenn Sie sich lange genug von Ihren attraktiven Studentinnen losreißen können, um dem Gerede einer alten Frau zuzuhören.«
Ich reichte ihr die Hand, um mich zu verabschieden, doch sie ignorierte sie und hielt mir eine Wange für einen Abschiedskuss hin. Ich streifte die faltige Haut leicht mit meinen Lippen. Sie duftete nach Gesichtspuder und Wodka, und für einen kurzen Augenblick stellte ich mir eine andere Beatrice vor, eine schöne, junge Beatrice, die einem Soldaten oder Wissenschaftler ihre Wange oder ihre Lippen darbot. Sie war zweifellos unwiderstehlich gewesen.
Ich war auf halbem Weg zurück zur Uni, als mein Telefon klingelte. Auf dem Display stand THOMPSON FOTO. Es war Rodney Satterfield, und ich hoffte, er hatte gute Nachrichten über den Film aus Novaks Gefrierschrank. »Also«, sagte ich, »was haben Sie auf dem ältesten unentwickelten Film der Welt gefunden? Heiße Fotos einer jungen Calutron-Anlagenbedienerin aus dem Jahr 1944?« Sobald mir der Witz über die Lippen gekommen war, tauchten vor meinem geistigen Auge zwei Bilder von Beatrice auf – der jungen Beatrice und der alten Beatrice –, und ich schämte mich.
»Eigentlich«, sagte er, »haben wir gar nicht viel gefunden. Ein nahezu klarer Filmstreifen, der aussieht, als wäre er gar nicht belichtet worden. Bevor alle auf Digitalfotografie umgestiegen sind, haben wir jede Woche zwei oder drei unbelichtete Filme reinbekommen. Die Leute haben den Film eingelegt und die Kamera weggeräumt, ohne sie zu benutzen. Wenn sie die Kamera dann ein halbes Jahr später wieder rausgeholt haben, um zu fotografieren, konnten sie sich nicht mehr erinnern, ob eine alte Rolle drin war oder eine vollgeknipste. Also haben sie den unbelichteten Film zurückgespult und zu uns gebracht. Und waren dann sauer auf uns, wenn nichts drauf war.«
»Oh, na ja«, sagte ich, »ist ja nicht so, als hätte an dem Päckchen ein Zettel geklebt, auf dem stand: ›Wenn Sie wissen wollen, wer mich getötet hat, dann entwickeln Sie das hier.‹ Wir dachten nur, es würde sich lohnen, den Film zu überprüfen, denn er hatte ihn sorgfältig eingepackt und all die Jahre im Gefrierschrank aufbewahrt. Wie auch immer, vielen Dank, dass Sie es versucht haben. Ich muss den Film wieder zur Polizei bringen, damit sie ihn in Verwahrung nehmen kann, auch wenn er ihr nichts nützt. Ich bin gerade auf dem Weg zur Uni, wie wäre es, wenn ich kurz reinschaue und ihn abhole?«
»Eigentlich habe ich gesagt, es hat ausgesehen, als wäre er nicht belichtet«, berichtigte Rodney sich. »Aber er war belichtet. Die Bilder sind alle ziemlich schwach. Entweder ist er schrecklich unterbelichtet, oder der Film ist durch Strahlung verblasst.«
»Sie meinen, weil der Mann, in dessen Gefrierschrank er war, ein wandelndes Röntgengerät war?«
»Ja, vielleicht«, sagte er. »Vielleicht auch nur ganz normale jahrzehntelange Sonneneinstrahlung. Sonneneinstrahlung kann die Bilder im Lauf der Zeit auflösen, selbst wenn der Film in einem Gefrierschrank liegt. Ich habe es mit Überentwicklung versucht und ihn eineinhalb mal so lange wie üblich
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