Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Titel: Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
Vom Netzwerk:
hinauf. In der Hoffnung, mehr über Leonard Novak in Erfahrung zu bringen, über ihre nicht ganz so glückliche Ehe mit ihm und über das Geheimnis, wegen dem er auf so bizarre Art ums Leben gebracht worden war, hatte ich einen weiteren Besuch bei ihr ausgemacht, den Miranda und Thornton gleich als »Verabredung« bezeichneten.
    Ich rief sie vom Handy aus an, um sicherzugehen, dass sie mich auch wirklich erwartete. »Natürlich erwarte ich Sie«, sagte sie. »Meine Tanzkarte ist heutzutage nicht gerade voll. Ich lasse die Tür für Sie offen. Kommen Sie einfach rein und schenken Sie mir einen Wodka ein.«
    »Ja, Madam«, sagte ich lachend.
    Sie hatte wohl Tee gemacht und den Eiswürfelbehälter aufgefüllt, nachdem sie aufgelegt hatte, denn der Tee dampfte noch, und das Eis war noch nicht geschmolzen, als ich ihr einen Drink einschenkte und mich in den Sessel setzte, den ich inzwischen fast schon als »meinen« betrachtete.
    »Ich bin heute auf dem Weg in die Stadt an derY-12-Anlage vorbeigefahren«, sagte ich. »Da habe ich an Sie gedacht, wie Sie da drin an der Steuerung des Calutrons gesessen haben.«
    »Was für ein langweiliger Gedanke«, sagte sie. »Mein Calutron ist auch nur interessant wegen der späteren Einsicht der Geschichte. Es hat daran mitgewirkt, die Bombe zu bauen, folglich muss es wichtig und faszinierend gewesen sein. Aber die Arbeit daran war verdammt langweilig, das kann ich Ihnen sagen. Wie an einem Fließband in Detroit, aber ohne die Befriedigung, das Auto Form annehmen zu sehen. Ohne je mitzukriegen, dass das Fließband sich überhaupt bewegt. Soweit wir sehen konnten, haben wir überhaupt nichts produziert. Obwohl wir also jeden Tag durch patriotische Nachrichten am schwarzen Brett und Ansprachen über die Lautsprecheranlage angefeuert wurden, ließ die Begeisterung rasch nach, sobald man mal einige Stunden auf diese verdammten Skalen und Nadeln gestarrt hatte. Interessant wurde es immer nur dann, wenn mal was schiefging.« Bei der Erinnerung zuckten ihre Mundwinkel ein wenig nach oben.
    »Was ging denn zum Beispiel schief?«
    »Also«, sagte sie und warf mir einen schelmischen Blick zu, »eines Abends Ende 1943, als ich in der Schicht von drei bis elf arbeitete, gab es einen kleinen Aufruhr, und ich schaute mich um und sah General Groves und Colonel Nichols und zwei Männer in Zivil, ziemlich gut gekleidet. Die Offiziere begegneten den Zivilisten mit großem Respekt, besonders dem Gutaussehenden in dem teuren Anzug. Er schaute sich um und kam dann zu meinem Alkoven herüber – ich war an diesem Abend das hübscheste Mädchen in der Schicht – und fragte mich nach meinem Namen. Als ich ihn ihm nannte, sagte er: ›Beatrice, hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mir einen Augenblick Ihr Calutron borge?‹ Ich sah meinen Vorarbeiter an, der sich praktisch überschlug, um mich von der Steuerung wegzuzerren. ›Das ist viel zu niedrig‹, sagte der Mann. ›Bei den Einstellungen produzieren Sie im Leben nicht genug.‹ Er drehte an den Knöpfen herum, bis die Nadeln praktisch vom Ziffernblatt sprangen. ›So‹, sagte er, ›bei diesen Einstellungen bekommen Sie sehr viel mehr … Erzeugnisse. ‹Sie wandten sich ab und gingen wieder. Da fragte ich meinen Boss: ›Und wer war der schicke Kerl?‹ Mein Boss, der ganz hin und weg war, sagte: ›Das war Ernest Lawrence, der Erfinder dieser Anlage.‹ Fünf Minuten später gab es einen lauten Knall. Mein Calutron war explodiert.«
    Ich lachte. »Eine tolle Geschichte«, sagte ich. »Ist sie wirklich wahr?«
    »Größtenteils«, sagte sie. »Neunundneunzig Prozent der Zeit war es geisttötende Arbeit. Sie sollten sich nicht vorstellen, wie ich am Calutron sitze. Sie sollten sich lieber vorstellen, wie ich singe oder male, Beethoven spiele oder Gedichte schreibe.«
    »Das können Sie alles? Ich bin beeindruckt.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich das alles kann, Bill. Ich habe nur gesagt, Sie sollten sich vorstellen, wie ich all das tue. Wo bleibt Ihre Phantasie, Mann?« Ich lachte. »Leonard konnte all das. Und zwar hervorragend.«
    »Doch ein hervorragender Ehemann konnte er Ihnen nicht sein.«
    Bei diesen Worten fuhr ihr Kopf hoch. »Sind Sie deswegen hier? Um mich über Leonards Schwächen auszuquetschen?«
    »Beatrice, wir versuchen dahinterzukommen, warum er mit einem Iridium-192-Pellet im Darm gestorben ist«, sagte ich, »und ob womöglich noch andere Menschen in Gefahr sind. Es geht nicht um seine Schwächen. Vielleicht um seine

Weitere Kostenlose Bücher