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Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Titel: Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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und er sagte, es scheine sich um ein minderwertiges Schreibmaschinenpapier zu handeln, viel Holzzellstoff, wenig Leinenfasern. Weil es billig und zellstoffhaltig war, neigte es dazu, zu Klumpen zu zerbröckeln, statt sich in einzelnen Blättern abschälen zu lassen. »Einige Bruchstücke konnte ich lösen«, erklärte er mir, »aber ich fürchte, die geben nicht viel her. Tintenflecke und Moder. Was auch immer auf diesen Seiten geschrieben stand, es hat die Zeit nicht überdauert.«
    Die Knochen hatten sich jedoch gut gehalten. Nachdem wir sie einen Tag lang in heißem Wasser, Biz und Downy-Weichspüler gekocht und anschließend mit einer Zahnbürste behutsam abgeschrubbt hatten, hatte Miranda die sauberen, karamellfarbenen Knochen von GI Doe – so hatte sie 09-02 scherzhaft getauft – im osteologischen Labor in anatomisch korrekter Anordnung auf einem Tisch ausgelegt. Zudem hatte sie die Knochen schon mit einem digitalen 3D-Messfühler vermessen. Nachdem sie die Maße in die forensische Datenbank eingegeben hatte, hatte sie ForDisc damit gefüttert, eine Software, die von einem computerbegeisterten Kollegen an der University of Tennessee entwickelt worden war. Laut der ForDisc-Analyse der Daten – unter anderem der Größe des Schädels, des Zwischenraums zwischen den Augenhöhlen, der Breite der Nasenöffnung und der Länge und des Durchmessers verschiedener Knochen – war GI Doe ein Weißer und ungefähr einsachtzig groß. Das überraschte mich nicht, schließlich war ForDisc so programmiert worden, dass es schnell und automatisch die Art von Berechnungen und Analysen anstellte, die wir physischen Anthropologen sonst mit Tastzirkeln, Rechenschiebern und Taschenrechnern mühselig errechneten und wofür man Jahre brauchte, um es zu lernen.
    ForDisc war jedoch nicht darauf programmiert, das Alter zu schätzen. Für eine Altersschätzung musste man verschiedenste Merkmale des Skeletts betrachten und zuweilen komplizierte oder subjektive Urteile über den Grad der Entwicklung oder die Reife bestimmter Knochen fällen. Das waren keine automatischen Berechnungen, wie ein Computerprogramm sie durchführen konnte.
    Wenn ich eine forensische Untersuchung eines Skeletts vornahm, hielt ich gewöhnlich den Mund, bis meine Studenten die Knochen hinreichend studiert und mir gesagt hatten, was sie davon hielten. Miranda war daran gewöhnt und bedurfte nicht mehr Aufforderung als einem Neigen des Kopfes und einem fragenden Hochziehen der Augenbrauen. Sie fing damit an, dass sie den Schädel umgedreht auf ein ringförmiges Kissen legte, sodass die obere Zahnreihe und das Mundhöhlendach zu sehen waren. Dann nahm sie mit der linken Hand den Unterkiefer und zeigte mit dem kleinen Finger der rechten Hand auf die Zähne.
    »Also. Beide dritten Molaren im Unterkiefer sind vollkommen durchgebrochen«, sagte sie, »was auf einen Erwachsenen hinweist.« Sie hielt den Unterkiefer noch in der linken Hand und berührte mit dem kleinen Finger die Weisheitszähne, die klein waren und ein gutes Stück unterhalb der Ebene der zweiten Molaren. »Die dritten Molaren im Oberkiefer sind noch nicht durchgebrochen«, sagte sie, »doch scheinen sie impaktiert zu sein und wären wahrscheinlich nie durch das Zahnfleisch gebrochen. Also, diese Zähne verraten uns, dass er wohl mindestens achtzehn Jahre alt war.«
    Sie legte den Unterkiefer weg und nahm den Schädel von dem Kissen, auf dem er geruht hatte, hielt ihn in der linken Hand und fuhr mit der Spitze einer Messsonde an den vier Nähten im Mundhöhlendach entlang. Eine davon, die palatomaxilliäre Naht, führte von einer Seite des Mundhöhlendachs zur anderen, als hätte man zwischen den beiden zweiten Molaren eine Linie gezogen. Eine andere, die Sutura incisiva, führte ebenfalls von einer Seite zur anderen, direkt hinter den vier Schneidezähnen an der Vorderseite des Kiefers. Zwei Nähte führten über die Mittellinie des Mundhöhlendachs: die Zwischenkieferknochennaht erstreckte sich von der Vorderseite des Munds bis zu der Kreuzung mit der palatomaxilliären Naht, und die Gaumenknochennaht führte von dieser Kreuzung in den hinteren Bereich des Mundhöhlendachs. Bei den meisten Subadulten – Menschen unter achtzehn – waren diese vier Nähte nicht vollkommen geschlossen; die Verbindungen wurden immer noch mit neuem, wachsendem Knochen gefüllt. Mit achtzehn jedoch waren sie im Allgemeinen miteinander verschmolzen, und während der Jahrzehnte des Erwachsenseins glätteten sich die Nähte

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