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Dr. Gordon verliebt

Dr. Gordon verliebt

Titel: Dr. Gordon verliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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arbeitet wie eine Biene, macht keinen einzigen Schnitzer, kennt die letzten Errungenschaften, behandelt sämtliche kranken Kinder und Wöchnerinnen — »
    «Hör mal, Alter», Grimsdyke faßte mich scharf ins Auge, «stehst du mit diesem — mit diesem Geschöpf auf irgendeinem gesellschaftlichen Fuß?»
    «Na ja — ich muß gestehen, ich hab sie einmal zum Dinner ausgeführt.»
    «So? Willst du damit sagen, daß sie an Unterernährung leidet, oder daß du dich in sie verschossen hast?»
    Ich entschied plötzlich, daß es zwecklos war, mich bezüglich meiner Diagnose länger einer Selbsttäuschung hinzugeben. Ich mußte mich jemandem gegenüber aussprechen. Ich holte tief Atem.
    «Ich bin in sie entsetzlich verliebt», erklärte ich.
    Grimsdyke verschüttete sein Bier.
    «Nimm doch Vernunft an, Alter, nimm doch Vernunft an!» flehte er. «Das meinst du doch nicht im Ernst? Das ist doch nicht möglich! Das ist ausgeschlossen!»
    «Aber es ist ja wundervoll», fuhr ich fort, als diese Vorstellung mein Bewußtsein so angenehm durchdrang wie Sonnenschein an einem Frühlingsmorgen. «Nicki findet unter einer Million Mädel nicht ihresgleichen.»
    «Aber du kannst doch nicht in deinem Alter herumgehen und dich bis über beide Ohren verlieben?»
    «Warum nicht? Mein endokrines System funktioniert noch immer tadellos.»
    «Will sagen», protestierte Grimsdyke hitzig, «du bist doch kein mitteloser Medizinstudent mehr. Sie wird erwarten, daß du sie heiratest.»
    «Wollte Gott, sie nähme mich», seufzte ich.
    Grimsdyke schienen einfach die Worte zu fehlen.
    «Aber denk doch nach, was das heißt, Alter! Das heißt: dein ganzes weiteres Leben allmorgendlich über den Daily Telegraph hinweg ihr Gesicht sehen; das komische Geräusch hören, wenn sie sich die Zähne putzt; jede Nacht aufwachen und ihr Schnarchen vernehmen. Die Ehe ist bar jeder Romantik. Oh, ich kenn mich da gut aus. Hab seinerzeit mit etlichen Puppen zusammengelebt. Sobald sich einmal dieses Sex-Dingsda in deinem Organismus aufgebraucht hat, ist sie wie eine Kaltwasserkur. Denk an meine Worte, Richard! Vielleicht sagt sie und hält ihre Teetasse falsch.»
    «Nicki würde nie sagen. Sie ist zufälligerweise eine bemerkenswert gute Gesprächspartnerin.»
    «Das ist entsetzlich», fuhr Grimsdyke fort und wischte sich die Stirne mit einem seidenen Taschentuch. «Du hast es nicht nötig, zu heiraten, ich versichere es dir, Alter. Zumindest nicht, bevor du zu alt wirst, um abends auszugehen. Denk doch an all die Späße, die du dir jetzt noch leisten kannst. Hör mal — nur um dich wieder zur Vernunft zu bringen: rufen wir doch ein paar knusprige Dinger an und machen wir uns einen verteufelt lustigen Abend! Es macht mir nicht einmal was aus, wenn ich nochmals nach Foulness zurück muß, um die Kosten hereinzubringen. Wäre sogar ein Dienst an der Menschheit.»
    Ich schüttelte den Kopf. «Ich muß leider nach Hampden Cross zurückkehren. Hab Nicki versprochen, abends wieder dort zu sein.»
    «Da hat man’s! Als ob du schon richtig verheiratet wärst. Nur weil sie dich ins Bett nimmt —»
    «Sie nimmt mich nicht ins Bett! Will sagen, ich hab noch nicht einmal versucht, das herauszubringen.»
    «Was für einen Sinn hat es dann, zum Teufel, jetzt wegzustürzen?»
    Es war klar, daß Grimsdyke mich als verloren ansah. Er mußte bald darauf wegeilen, um jemanden in einer Kneipe in der Fleet Street zu treffen. Im Gehen warf er mir noch Warnungen über die Schulter zu. Ich hingegen schickte mich an, Dr. Farquarson im Neurologischen Spital in Bayswater zu besuchen.
    Es war ein prachtvoller Tag. Es war bereits einer jener seltenen sonnigen Herbstmorgen gewesen, an denen die Landschaft Englands ganz besonders herausgeputzt erscheint, und selbst die Oxford Street erweckte den Eindruck eines sorglosen Jahrmarktstreibens, als ich wohlwollend bei den Zebrastreifen anhielt und ritterlich Taxichauffeuren zulächelte, wenn sie mich vor den Verkehrsampeln anrempelten. Ich war schon vorher verliebt gewesen — Schauer liefen mir über den Rücken bei der Erinnerung, wie sehr ich noch vor ein paar Monaten in Florence Nightingale verschossen gewesen war —, aber das waren nur vorübergehende Anfälle im Vergleich mit dem richtigen, voll ausgebrochenen, hoch-virulenten Leiden, dem ich jetzt ausgeliefert war. Warum, so fragte ich mich, als ich frohgemut um den Marble Arch kurvte, war ausgerechnet Nicki die Auserwählte? Hatte das nur der Zufall der

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