Dr. Gordon verliebt
gefühlt. In ausgesprochen phantastischer Form. Nicki, hören Sie, ich —»
«Ach, ich weiß schon!» lächelte sie. «Ich vergaß ganz, daß Sie sich mit Ihrem alten Freund getroffen haben. Hätte die Symptome eigentlich gleich erkennen sollen.»
«Ehrenwort, Nicki, ich hab kaum einen Tropfen über meine Lippen gebracht», protestierte ich. «Ich mag ja berauscht sein, aber nicht vom Alkohol. Hören Sie, Nicki, ich muß wirklich —»
«Ach, richtig, diese Röntgenaufnahmen kamen heute früh aus dem Spital. Da ist Mrs. Tadwicks Speiseröhre.»
«Nicki!» rief ich energisch und hielt das in Packpapier eingeschlagene Päckchen fest.
Sie blickte mich bestürzt an. Meine Nerven ließen mich im Stich.
«Ja, Richard?»
«Ich liebe Sie», erklärte ich in einem Ton, als würde ich erwähnen, daß es draußen regne.
Es entstand ein Schweigen. Nicki sah mit einemmal sehr feierlich aus. Wir schlugen beide die Augen nieder und fixierten den Fußboden.
«Ist es... ist es Ihnen sehr unangenehm?» fragte ich schüchtern.
Sie schüttelte den Kopf. «Ich bin schrecklich gerührt», flüsterte sie.
«Würden Sie... würden Sie mich eventuell heiraten?»
Einige Sekunden lang herrschte neuerlich Schweigen, das nur durch das Geräusch des Kühlschranks unterbrochen wurde, der wieder einmal einen seiner Schüttelfrostanfälle erlitt.
Sie bückte auf. «Das ist wirklich eine sehr schwerwiegende Frage, Richard.»
«Das weiß ich, Nicki. Schrecklich schwerwiegend. Aber... also...»
Mich begannen dieselben peinlichen Gefühle zu bestürmen wie am Schluß meiner mündlichen Primärprüfung: die Dinge ließen sich nicht so glatt an, wie ich erwartet hätte.
«Sehen Sie, es gibt da eine Menge zu bedenken», fuhr sie fort.
«Was denn?»
«Nun... zum Beispiel meine Fellowship.»
«Ihre Fellowship?»
«Sie mögen mich für dumm halten, Richard, oder für herzlos oder gar für beides. Aber ich habe mir geschworen, nicht zu heiraten... oder mich nur zu verlieben... bis ich sie bestanden hätte. Vielleicht bin ich von einer fixen Idee besessen. Aber man hört’s doch immer wieder — wie die Frauen die Zeit vergeuden, wenn sie hingehen und Medizin studieren, und dann wieder Weggehen und heiraten. Ich beschloß, niemand dürfe über mich derartiges sagen. Aber ich hab Sie schrecklich — wirklich schrecklich gern, Richard. Halten Sie mich für eine undankbare Gans? Ich glaube, Sie tun’s. Wahrscheinlich bin ich in Wirklichkeit ein dickschädliges kleines Mädel.»
«Ach nein, keineswegs.» Mir blieb nichts anderes übrig, als so tapfer wie möglich zu sein. «Sie haben ja vollkommen recht. Vollkommen, Nicki. Hab seinerzeit bezüglich der Fellowship genauso gefühlt. Ich bitte um Verzeihung. Ich hätte nicht so unverfroren sein dürfen, dieses Thema überhaupt anzuschneiden.»
Nachher plauderten wir noch einige Zeit. Dann gab ich ihr einen Gutenachtkuß und fuhr langsam zu meiner Bude zurück. Ich spielte bis Mitternacht mit Mr. Walters Karten und warf zwei weitere Porzellanfiguren auf den Boden.
«Habt ihr euch gerauft?» fragte Kitten Strudwick ein paar Tage später.
«Wie bitte?»
«Ihr beide. Hat wohl Liebeshändel gegeben?»
«Miss Strudwick, es ist mir vollkommen unerfindlich, worüber Sie reden.»
«Lassen Sie sich nicht auslachen! Wenn man euch zusieht, wie ihr seit Montag einander aus dem Weg geht, möchte man glauben, ihr hättet beide die Masern.»
«Meine Beziehung zu Frau Doktor Barrington — wenn Sie etwa darauf anspielen sollten, Miss Strudwick — ist ausschließlich beruflicher Natur. Ich möchte Ihnen nahelegen, nicht eine Romanze zu erfinden, wo sie keineswegs existiert. Ich muß befürchten, daß Sie zu viele Magazine des Wartezimmers gelesen haben.»
«Nur keine Aufregung, Schatz», sagte sie fröhlich. «Wird am Ende schon alles gut werden.»
Die Woche war scheußlich gewesen. Ich besuchte Nicki nicht mehr in ihrem Zimmer. Ich führte sie nicht mehr zum Dinner aus. Ich sah sie nur für kurze Zeit in der Ordination und sprach mit ihr nur formell über medizinische Dinge. Ich war kurz angebunden zu Miss Strudwick, mürrisch zu den Patienten, unachtsam gegen mich selbst und verfiel dem Hang, lange Zeitspannen geistesabwesend aus dem Fenster zu starren. Vermutlich erscheint einem jungen Mann, der sich zu einem Heiratsantrag entschließt, eine Niederlage ebenso unwahrscheinlich, wie wenn er in den Kampf zieht. Sonst würde er sich auf keines der beiden einlassen. Nun erkannte ich in meinen Perioden
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