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Dr. Gordon verliebt

Dr. Gordon verliebt

Titel: Dr. Gordon verliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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hatte unseligerweise die Länge des Zwischenakts überschätzt, und Tony und ich tranken noch immer im «König Georg» emsig Bier, als sich der Vorhang hob. Da kein Klopfen ertönen wollte, versenkte sich Grimsdyke intensiv in die Lektüre des gesamten Field, wobei er ab und zu beschwörende Blicke in die Kulissen warf. Dann bahnte er sich durch die Illustrated London News, den Tatler und die Sphere sowie durch den ganzen Sketch und Punch, bevor er endlich die Bühne wutentbrannt verließ und den Vorhang zum Fallen brachte; die Zuschauer zerbrachen sich den ganzen Abend den Kopf über die Bedeutung dieser kurzen, aber eindrucksvollen Szene.
    «Fühlen Sie sich wirklich vollkommen wohl?» fuhr Sally Nightingale fort, indem sie ihre Tätigkeit unterbrach und ihre Hand sanft auf meiner Wange ruhen ließ. «Sie sind aber sicher noch ein wenig heiß.»
    Ich bedachte gerade, um wieviel angenehmer dies war, als einen Eiszapfen aus Glas und Quecksilber der nach Dettol schmeckte, unter die Zunge gezwängt zu bekommen, als sich die Türe öffnete und Hinxman eintrat.
    «Was treibst du hier?» fragte er mich sogleich.
    «Oh, hallo, Alter! Gut, gut, weiß schon, ich sollte eigentlich im Bett liegen. Aber da ich gewissermaßen zur Branche gehöre, dachte ich, ich könnte mir schon einige Freiheiten in der Tagesordnung herausnehmen.»
    «Tagesordnung? Mit der Tagesordnung hat dies nicht das geringste zu tun. Es betrifft deine Behandlung.»
    «Kennst du schon unsere neue Nachtschwester?» fragte ich.
    «Ich kenne Schwester Nightingale sehr gut. Bis letzte Woche hat sie hier Tagdienst gemacht. Guten Abend, Sally.»
    «Guten Abend, Roger.»
    «Oh, tut mir leid», entschuldigte ich mich. «Ich wußte nicht, daß ihr euch schon kennt.»
    Es entstand ein Schweigen, in dessen Verlauf mir auffiel, daß mein ärztlicher Berater und Kollege sich sonderbar benahm. Hinxman gehörte zu jenen beneidenswert unkomplizierten Menschen, die in der Badewanne singen, niemals Katzenjammer haben, Schnupfen kriegen oder Zugluft spüren, und er war bei weitern die freundlichste Gestalt im Quartier der Anstaltsärzte. Bisher hatten wir eine Freundschaft gepflegt, die sich bis zum gegenseitigen Borgen von Rasierklingen und Lehrbüchern erstreckte, doch nun atmete er heftig und starrte mich an, als sei ich ein ganz besonders auffallendes Präparat im Pathologischen Museum.
    «Na, schön, du bist der Arzt.» Ich zuckte die Schultern und sagte mir, daß viele junge Anstaltsärzte sich aufspielen, wenn sie zum erstenmal das delikate Gleichgewicht zwischen Arzt und Arzt-Patienten herzustellen haben. Ich beschloß, mich huldvoll zu fügen, und sagte leichten Tones zu Sally Nightingale: «Gute Nacht, Schwester, ich ziehe mich nun in mein wasserdichtes Bettchen zurück. Sobald Dr. Hinxman weggegangen ist, kommen Sie doch und plaudern Sie mit mir, wenn ich noch wach sein sollte.»
    Am nächsten Morgen hängte die mütterliche Stationsschwester meine Behandlungstafel an das Fußende des Bettes. «Sie haben vollkommene Bettruhe zu halten», verkündete sie mir.
    «Ach nein!»
    «Doch, Mr. Hinxman hat sie Ihnen verordnet.»
    «Aber wieso denn, um Himmels willen? Mir geht’s doch besser. In ein paar Tagen sollte ich schon das Spital verlassen.»
    «Leider kann ich Ihnen darauf keine Antwort geben. Uns steht es nicht zu, nach den Gründen zu fragen; wir müssen lediglich das ausführen, was uns der Anstaltsarzt aufgetragen hat.»
    Mein Ärger betraf weniger die Aussicht auf Unbeweglichkeit, sondern die Drohung, die diese enthielt — nämlich die Leibschüssel. Diese trachtionelle Zutat des Spitalslebens, die den Gesetzen der Geometrie hohnspricht, da sie zwar Länge und Breite, aber keine Tiefe besitzt, hat noch nie jemand besungen — und sie verdient es auch nicht. Bisher war ich ihr entkommen, doch von nun an würde ich wie alle anderen Patienten das Auge der Schwesternschülerin auf mich lenken müssen. Erbittert beschloß ich, Hinxman bezüglich seiner Behandlungsmethode Saures zu geben, sobald er erschiene.
    «Hör mal», beschwerte ich mich. «Diese Bettruhe-Verordnung übersteigt wirklich alle Grenzen! Ich befinde mich doch bereits ausgesprochen auf dem Weg der Genesung. Oder hast du mich vielleicht mit jemand anderem verwechselt?»
    Hinxman maß mich schweigend mit seinen Blicken. Sein Gesicht war rosiger denn je angehaucht, seine Augen drohend und blutunterlaufen; seine Hände bohrten sich tief in die Taschen seines weißen Mantels, in denen bereits

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