Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dr. Gordon wird Vater

Dr. Gordon wird Vater

Titel: Dr. Gordon wird Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
Vom Netzwerk:
begänne.»
    Seit dem Nachmittag von Sir Lancelots
Besuch war meine Frau sichtlich auf gegangen. Das Jahr hatte nun jene
trübselige Phase erreicht, da Abend- und Morgendämmerung einander flott über
den englischen Dachgiebeln ablösen, und das Baby — das mir vorher fast so
theoretisch erschienen war wie die Abbildungen in meinen alten
Embryologielehrbüchern — hatte nun einen eigenen Herzschlag und trat um sich
wie ein Fußballverteidiger. Der Nachbarschaft wurde sein Nahen durch eine Reihe
nachgewaschener neuer Windeln an der Wäscheleine im Garten signalisiert, denn
Mrs. Marstons zerrüttetes Heim gehörte jetzt uns. Mr. Robbinson hatte die
geschäftlichen Unterhandlungen geführt, und ich stand bei einem Unternehmen,
das sich «Immerwährende Bauvereinigung» nannte, erschreckend tief in der
Kreide; seine Direktoren schienen ihn recht oft zum Mittagessen auszuführen.
Nicky und ich hausten inmitten einer Garnitur von Wartezimmermöbeln meines
Vaters, die bereits dem Bodengerümpel angehört, und einigen
Laubsäge-Buchregalen, die Nickys Bruder verfertigt hatte; doch ich war recht
zufrieden, wenn nicht gerade mein Blick auf Reklamen für Sportwagen fiel. Dr.
Ann Partridge sprach nun häufig bei uns vor, betastete Nickys Unterleib wie ein
muntrer Landwirt seine Schweine und erklärte, der kleine Racker habe eine
prächtige Lage, sie könne direkt seine Füße fühlen.
    Mein Taufpate schenkte uns, zu meiner
Erleichterung, nur wenig Beachtung, da er viel zu sehr damit beschäftigt war,
die Pläne für die Zweihundertjahrfeier St. Swithins neu auszuarbeiten. Diese
Einmischung beunruhigte nicht nur Mr. Cambridge, sondern sämtliche Spezialisten
des Spitals, denn waren sie sich auch alle darin einig, daß dieser Jahrestag
festlich begangen werden müsse, so hatten sie sich doch bezüglich der Art und
Weise gegenseitig in den Haaren gelegen. Die Chirurgen wollten mehr
Operationssäle, die Internisten mehr Laboratorien errichten, die Geburtshelfer
schlugen eine neue Frauenklinik, die Pathologen eine neue Leichenkammer vor,
die Ophthalmologen setzten sich für eine neue Augenabteilung an Stelle der
nicht mehr benützten Waschküche ein (die sie als den «gegebenen Ort für
leidende Augen» bezeichneten), der Spitalsgeistliche wünschte das freudige
Ereignis mit bunten Glasfenstern zu feiern und der Leiter der Abteilung für
Haut- und Geschlechtskrankheiten mit einem Champagnergelage.
    Doch Sir Lancelot begünstigte keinen
dieser Pläne. Es hatte in der Geschichte St. Swithins noch keinen
tatkräftigeren Politiker gegeben, und sein Geschick, ins richtige Ohr ein
Wörtchen zu flüstern und an den richtigen Rockaufschlag zu fassen, hätte ihm in
Westminster wahrscheinlich einen Sitz im Kabinett eingetragen. Hatte er auch im
Rat keine Stimme mehr, vermochte er doch genug alte Freunde zu überreden, für
eine Internationale Chirurgenkonferenz einzutreten, und man hatte ihn bereits
eine vorbereitende Tagung kontinentaler Kollegen folgendermaßen schallend
begrüßen hören: «Pardon mille fois que je suis en retard pour l’opération,
messieurs, mais le big end de mon motor-car est allé au coin de Oxford Street.» Er war nicht danach geartet, sich von jener lächerlichen Sprachenschranke, die
sich zwischen ihm und dem persönlichen Ausdruck seiner Meinungen erhob,
abschrecken zu lassen.
    Weiter setzte Sir Lancelot den Stab von
St. Swithin dadurch in Unruhe, daß er wieder seine chirurgische Tätigkeit
aufzunehmen begann; er lud sich einfach selber ein, Mr. Cambridge in seinem
Operationssaal zu assistieren. Seine Vorstellung davon, bei einer Operation zu
assistieren, war nicht viel anders als die des Kellners in Yarmouth, der dem
jungen David Copperfield bei seinem Abendessen assistierte, und nachdem er
erklärt hatte: «Möchte, daß Sie mich genauso wie Ihren Hilfsarzt behandeln,
Cambridge, und mich anbrüllen, wenn ich Ihnen im Weg stehe», griff er mehr und
mehr in die Prozedur ein, bis er schließlich binnen kurzem alles herausschnitt,
was ihm paßte. Mr. Cambridges Laune verschlechterte sich zusehends, und in
seinem Gesicht zeigten sich Anzeichen eines Ticks.
    «Wohnt der alte Knabe noch immer bei den Cambridges?» fragte Grimsdyke, als Nicky und ich ihn
einige Tage später in London trafen.
    «Er gehört praktisch schon zur
Familie», erwiderte ich.
    «Armer
alter Cambridge !» rief Grimsdyke.
    «Arme
Mrs. Cambridge !» rief Nicky.
    Wir genossen sozusagen den letzten
Ausgang meiner Frau in vollen Zügen und saßen

Weitere Kostenlose Bücher