Dr. Gordon wird Vater
in der Bar eines kleinen
Restaurants im West End, wohin uns Grimsdyke als Ersatz für das Souper, das uns
im Arundel von den Lippen gerissen worden war, eingeladen hatte. Es war ein
ringsum mit Plüsch verbrämtes Lokal, dessen rosafarbene Beleuchtungskörper alle
Speisen so aussehen ließen, als seien sie mit Cochenille versetzt, und alle
Gäste, als litten sie an Polycythaemia rubra vera; und der Oberkellner
hatte Nicky bei ihrem Eintreten mit einem furchtsam-mißbilligenden Blick
gestreift. Doch Grimsdyke erklärte, dieses Lokal sei stadtbekannt dafür, daß
man darin — wenn man wollte — sämtlichen Modeschauspielern und -rinnen sowie
Politikern beim Essen zuschauen konnte.
«Wie wär’s, wenn wir vor dem Mahl einer
Flasche Bollinger den Hals brächen?» fragte Grimsdyke, sich einem ernsthafteren
Thema zuwendend.
Als ich zögerte, fügte er hinzu: «Genau
das Richtige für Nickys Zustand. Alle alten Lehrbücher für Geburtshilfe raten
zu einem Gläschen Champagner, um die Lebensgeister der Mutter
beisammenzuhalten, nebst dem täglichen Spaziergang im Park. Und mach dir keine
Sorgen wegen der Rechnung — der Magen des alten McGlew kommt dafür auf.»
«Ja, ist er denn nicht zu seiner
Schweineschlächterei zurückgekehrt?» fragte ich überrascht.
«Er ist wieder hier. Aber da er den
gesottenen Fisch im Arundel satt hat, hat er sich am Grosvenor Square eine
geschmackvolle Bude gemietet, wo ich ihm weiterhin großzügig meine ärztliche
Betreuung angedeihen lasse. Möchte mich nicht ungebührlich rühmen, aber der
Bursche baut derart auf mich, daß ich ihm schon fast sagen muß, wann er die
Socken wechseln soll. Überdies», fügte Grimsdyke mit einer Kopfbewegung zur Tür
des Restaurants hinzu, «wird in ein paar Minuten ein weiterer Gast eintreten,
auf den ich ganz besonders Eindruck schinden möchte. Was treibt übrigens dieses
Ungeheuer von deinem alten Göd jetzt?» fragte er, den Champagner bestellend.
«Seine Hauptarbeit besteht darin, die
Pläne des armen alten Cambridge für die Zweihundertjahrfeier umzuwerfen. Warum!
Bertie sich das alles antut, versteh ich allerdings nicht. Wo er doch noch vor
ein paar Monaten geschworen hat, die ganze Geschichte nicht einmal mit der
Feuerzange anzurühren. Verstehst du, was da los ist?»
«Ja, habt ihr denn noch nicht den
neuesten Klatsch gehört?» fragte Grimsdyke, der stets auf dem laufenden war. Nicky und ich schüttelten den Kopf. «Er tut
doch alles nur, um mit der Zweihundertjahrfeier der lieben alten Höhle jenen
Mächten zu imponieren, die den Ritterstand zu vergeben haben. Ihr wißt doch, so
eine Ehrung für alle, verzapft einem einzigen genau dasselbe, wie wenn der
Kapitän eines Schiffs, das ehrenvollst mit der gesamten Besatzung untergeht,
eine Medaille kriegt. Die ganze Sache ist natürlich streng geheim», fügte er
hinzu, seine Stimme nur leicht dämpfend. «Und niemand weiß, wer der Glückliche
sein wird. Aber offenbar wird der alte Cambridge, wenn er den Zirkus
arrangiert, das Rennen machen.»
«Aber ein so bescheidener Bursche wie
Cambridge würde sich doch nie an die erste Stelle drängen wollen?» meinte ich,
ehrlich verblüfft. «Ich weiß, daß es ihm in tiefster Seele zuwider ist, sich
mit Komitees herumzuschlagen, und er schert sich den Teufel uns Titel. Außerdem
ist seine Praxis groß genug, um es ohne Reklame zu schaffen.»
«Ich persönlich kann’s mir gewiß nicht
vorstellen, daß jemand Ritter werden will», stimmte mir Grimsdyke bei,
«heutzutage, wo das nicht mehr mit so aufregenden Dingen wie der Rettung
hübscher Mädchen vor bösen Drachen verbunden ist. Jetzt muß man eine Menge
Reden halten und wird von jeder Wohltätigkeitsorganisation Londons
angeschnorrt. Aber es muß doch irgendwas dran, sein», fügte er, nachdenklich in
den Anblick der Schaumperlen seines Getränks versunken, hinzu. «Sieh dir einmal
diese Burschen im Staatsdienst an, die um einen Hungerlohn roboten, nur um sich
ein paar Jahre lang — bevor ihre Arterien zu knacksen beginnen — Sir Sowieso
nennen zu können.»
«Für einen Chirurgen, der bereits auf
dem Höhepunkt angelangt ist», sagte ich, «ist es vielleicht ein Weg, in die
Nachwelt einzugehen.»
«Gewiß, oder es wird eine scheußliche
Krankheit nach ihm benannt», entgegnete Grimsdyke. «Ich persönlich werd mich
nach einer Baronie umsehen. Muß ein Heidenspaß sein, im House of Lords Reden zu
schwingen und allen Leuten zu erzählen, was einem an der Welt nicht gefällt,
und sich’s
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