Dr. House
Patienten. Die dritte Frage lautet: Inwiefern gibt der Patient Aufschluss über House und wie reagieren die beiden aufeinander?
Eine Diagnose muss auf jeden Fall gestellt werden. Normalerweise wird der Patient von der ursprünglichen Krankheit geheilt, doch das bleibt meist nicht ohne Folgen. Das Ende sollte weder auf banale Weise glücklich noch traurig sein, das wäre zu einfach. In »Selig sind die geistig Armen« zum Beispiel wäre der vorhersehbare Weg, dass das unglückliche Genie Sidas von den Drogen loskommt, mit denen es seinen Geist benebelt, und wieder schlau wird. Seine weniger intelligente Frau würde sagen: »Wir kriegen das hin«, und Sidas würde antworten: »Ja, Liebes, wir kriegen das hin.« Sauber, vielleicht befriedigend, aber kein bisschen glaubwürdig. »Es ist vollkommen in Ordnung, ein etwas unglückliches, aufwühlendes Ende zu haben, solange es zum Nachdenken anregt«, findet David Hoselton.
Garrett Lerner gibt zu, dass er nach jeder Folge online ist, um die Fan-Reaktionen nachzulesen. Er fragt seine Frau und seine Eltern, wie sie ihnen gefallen hat, aber ihn interessiert auch das allgemeine Feedback. Was er liest, hat jedoch keinerlei Einfluss auf seine Arbeit, schon allein, weil die Handlung, auf die die Fans reagieren, längst feststeht. Garrett hat nicht die Erfahrung gemacht, dass die Leute eher posten, wenn sie eine negative Meinung haben: Manche Folgen werden fast einstimmig gelobt.
Garrett Lerner hebt für einen Augenblick den Zeigefinger und beklagt den fragwürdigen Sport, den einige sich daraus machen, von beliebten Fernsehsendungen vorab Handlungselemente zu veröffentlichen. So geschehen zum Beispiel mit den Neuigkeiten, dass Cameron Chase und Jennifer Morrison die Serie verlässt (wenn auch mit offenem Ende). Selbst als die Autoren das ursprüngliche Diagnoseteam wieder vereinigten, kannten einige Zuschauer die Auflösung schon. Garrett findet diesen Tratsch äußerst unerfreulich:
»Jeder, der Internetzugang hat, kann sagen: ›Ich habe ein Skript gefunden und das Ende gelesen. Darth Vader ist Lukes Vater! Bruce Willis stirbt wirklich!‹ Man erreicht damit nichts weiter, als das Fernseherlebnis zu versauen und unsere harte Arbeit kaputt zu machen. So, das war mein Wort zum Sonntag.«
Neben dem A-Plot gibt es einen B-Plot mit House und seinem Team sowie Wilson und/oder Cuddy. Der B-Plot muss nicht vollständig aufgelöst werden. Wieder das Beispiel »Selig sind die geistig Armen«: Hier dreht Chase beinahe durch, nachdem Cameron ihn wegen Dibalas Tod verlässt. Bei der Sitzung eines Autorenteams hatte Peter Blake die Idee, Chase solle House aus heiterem Himmel eine reinhauen. Tommy Moran gab dem Ganzen den genialen Dreh, dass Chase es nicht aus Wut auf House tut, sondern damit ihn die Leute endlich nicht mehr mit ihren Fragen löchern. House kann diese verquere Logik nachvollziehen. »Ich habe mich riesig gefreut, dass das in meiner Folge gelandet ist«, erzählt David Hoselton.
»House ist ein Querdenker, er ist in der Lage, die Dinge anders als üblich zu betrachten. Er sagt immer etwas Unerwartetes. Aber er tut das nicht, weil es ihm Spaß macht, unverschämt zu sein und die Leute zu schockieren, sondern weil es seiner Weltsicht entspricht. Er ist nicht pedantisch, nur weil er fies sein will. Wenn er etwas sagt, hat er immer einen Grund dafür. Das ist das Spannende an der Serie, aber es ist auch eine Herausforderung, diese einzigartige Herangehensweise beim Schreiben zu finden.«
– DAVID HOSELTON
Oft wissen die Autoren, kurz bevor sie ihre Szenen schreiben, noch nicht, an welchem Punkt die Hauptfiguren am Schluss der vorherigen Folge stehen. »Man kriegt schnell heraus, worum
es geht, und dann muss man irgendwas daraus machen«, beschreibt Hoselton die Situation. In einer seiner Geschichten kam der erste Kuss von House und Cuddy vor. Selbstverständlich sind die Frotzeleien der beiden danach längst nicht vorbei. In »Selig sind die geistig Armen« versucht House herauszufinden, wo Cuddy und Lucas Thanksgiving verbringen. House besorgt sich Cuddys Adresse – die aber falsch ist – und wird abgewiesen. Nun muss sich der nächste Autor fragen, wie es für die beiden danach weitergeht. Die Hintergrundgeschichte, House’ und Cuddys Beziehung zueinander, wird natürlich auch in dieser Folge nicht endgültig geklärt. Vielleicht niemals.
Jeder Autor plant seine Geschichten auf seine Weise. David Hoselton schreibt die Grundgedanken des Plots auf Karteikarten und
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