Dr. med. Erika Werner
sich als große Lache auf dem gekachelten Boden aus.
Erika stieß die Schiebetür zur Seite und stürzte in den OP. »Alf!« rief sie entsetzt. »Was machst du denn da, Alf?«
Bornholm sah sich um. Sein Gesicht war verzerrt und schweißüberströmt. Seine Augen waren unnatürlich weit.
»Hilf mir, Erika!« stöhnte er. »Ich kann es nicht allein machen … Bluttransfusion, schnell. Gruppe B, Rhesus 0. Und heiße Kompressen! Ich bekomme die Blutung nicht zum Stillstand.«
Er drückte manuell in der Tiefe des Leibes etwas ab, aber der Blutstrom lief ihm über die Hand, über den Arm und ins Hemd hinein.
Erika fragte nicht mehr. Jedes Wort bedeutete einen Pulsschlag weniger Blut. Sie rannte zum Blutkonservenschrank, schloß den Transfusionsapparat an … dann rannte sie zurück, stellte den elektrischen Kocher an und legte Kompressen in den Dampf.
Bornholm hockte vor dem Mädchen, schwitzend, in dem überquellenden Blutsee blind und nur auf sein Tastgefühl angewiesen nach der Perforationsquelle suchend.
»Wir müssen aufmachen!« stöhnte er, als Erika die ersten Kompressen brachte. »Solch eine Sauerei! Die Narkose reicht aus. Noch zwei Flaschen Plasma, Erika … ich muß an den Uterusgrund heran …«
Erika stand blaß vor dem Mädchen. Ihre schwarzen, langen Haare hingen neben dem Tisch herunter. Bornholm kippte den Tisch nach hinten. Der Kopf sackte weg in die Tiefe, die festgeschnallten Beine ragten gegen die Lampe. Die Kaiserschnittlage. Das Blut versiegte. Es lief jetzt in die Unterbauchhöhle.
»Schnell!« rief Bornholm. »Das Instrumentarium … wenn ich den Leib aufhabe und die Perforation gefunden habe, können wir uns Zeit lassen. Aber jetzt geht es um Sekunden! Schnell, Erika …«
Sie rannte wieder im OP herum, brachte Skalpell, Klemmen, Spreizer, Kompressen, Tupfer, Tücher … Bornholm öffnete den Leib ohne langes Zögern mit einem kühnen Pfannstielschnitt. Mit saugfähigen Tüchern nahm Erika den Blutsee auf, der ihnen entgegenquoll. Die blutnassen Tücher warf sie einfach auf den Boden.
»Das … das ist ja ein Abortus!« stotterte sie, als Bornholm im nun geöffneten Leib die perforierte Stelle in dem Uterus gefunden hatte und den Uterus ausräumte. Mit einer schnellen Naht deckte er die Perforation zu. »Wie kommt …«
»Nicht lange fragen … nachher!« Bornholm setzte sich erschöpft auf einen Schemel. »Das Mädchen kam zu mir nach Hause. Mit bereits eingeleitetem Abortus. Frage nun nicht länger … Wie ist der Puls …?«
»Nicht mehr tastbar …«
Bornholm sprang auf. Sein Gesicht war fürchterlich.
»Nein!« schrie er. »Das kann nicht sein! Das darf nicht sein! Das Herz …«
Erika hatte das Membranstethoskop auf die Brust des Mädchens gesetzt. Sie lauschte, Bornholm hielt den Atem an. Langsam hob Erika die Schultern.
»Nichts. Exitus …«
»Das gibt es nicht! Unmöglich!« Er riß Erika das Stethoskop aus der Hand und hörte selbst den Brustkorb ab. Aber auch er tastete in der Stille. Das Herz schwieg. Bornholm sah auf die Uhr. Es waren noch keine fünf Minuten vergangen.
»Neue Konserven!« schrie er. »Sauerstoff! Schnell! Noch ist es Zeit. Ich mache eine Herzmassage. Sie kann nicht gestorben sein! Hörst du … sie darf nicht sterben! Sie darf es einfach nicht! Los … steh doch nicht herum und starre mich an! Sauerstoff! Blut!«
Mit seinen blutbeschmierten Händen griff er zu und drückte den Brustkorb des Mädchens ein, ließ ihn wieder hochschnellen … immer und immer wieder, im Rhythmus des Herzschlages. Währenddessen gab Erika langsam mit dem Beatmungsapparat Sauerstoff zwischen die blassen, blutleeren Lippen.
Eine halbe Stunde pumpte Bornholm, verzweifelt, keuchend, halb blind vor Anstrengung.
Erika legte ihm die Hand auf die schweißnasse Schulter.
»Es hat doch keinen Sinn mehr, Alf. Sie ist seit einer halben Stunde tot. Verblutet …«
Langsam ließ sich Dr. Bornholm auf den Schemel zurückgleiten. Er legte den Kopf gegen das blanke Gestänge des OP-Tisches und stöhnte auf.
»Wer ist … wer war das Mädchen?« fragte Erika leise. Sie deckte einige Kompressen über das spitze ausgeblutete Gesicht und den fahlbleichen nackten Körper mit der klaffenden Leibwunde.
»Sie hieß Helga Herwarth …« Bornholm sank in sich zusammen. Er tastete nach Erikas Hand und umklammerte sie. »Du mußt mir helfen, Erika«, stammelte er. »Niemand darf wissen, was hier geschehen ist. Niemand. Versprich es mir. Versprich mir, daß du mir helfen wirst … bitte
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