Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dr. med. Erika Werner

Dr. med. Erika Werner

Titel: Dr. med. Erika Werner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
ehrlich sein. Ich kann keine Lügen ausstehen, du weißt es.«
    »Ich liebe dich, Erika«, sagte Bornholm dumpf. »Mehr weiß ich nicht.«
    »Wie oft hast du das in diesem Haus gesagt?«
    »Oft, Erika …«
    Erika Werner zog die Schultern zusammen. Der Frost, den nur sie spürte, ergriff ihr Herz. Es zuckte, als wehre es sich gegen die zugreifende, unbarmherzige Kälte.
    »Komm!« sagte sie laut. »Ich möchte hier heraus! Fahren wir –«
    Er nickte. Plötzlich umarmte er sie mit einer ausbrechenden Verzweiflung und küßte ihren Nacken.
    Sie ließ es geschehen, aber sie empfand nichts dabei. Es war ihr fast, als hasse sie in diesem Augenblick Alf Bornholm. Sie zwang sich, beim Hinausgehen keinen Blick mehr auf das Bett zu werfen.
    Von Samstag auf Sonntag hatte Dr. Erika Werner wieder Nachtdienst. Sie saß in ihrem kleinen Assistentenzimmer, las in einem amerikanischen Familienroman, hatte eine Kanne Kaffee neben sich stehen und dachte während des Lesens doch nur an Alf Bornholm. Er war ihr erstes, großes Erlebnis gewesen, und sie verfiel wieder in den Zauber der Hingebung, wenn sie die Augen schloß und dann sein Gesicht vor sich sah.
    Auf Station III lagen vier Frischoperierte. Die beiden Wachschwestern beobachteten sie von den kleinen Vorräumen der Krankenzimmer aus durch die großen Glasscheiben. Von ihnen aus regelten sie auch die Zufuhr des Sauerstoffs in den Sauerstoffzelten.
    Sobald einer der Frischoperierten unruhig wurde, riefen sie Erika Werner an. Vor allem zwei Kranke, eine schwere Magenresektion und ein Dickdarmkrebs, gehörten zu den kritischen Fällen dieser Nacht.
    In dem großen Hause war es ruhig. Nur in der Unfallstation brannten noch die Lampen. Jede Nacht brannten sie dort. In diesem Teil des vielstöckigen Hauses gab es nie Ruhe. Hier wurden die zerfetzten Leiber hineingetragen und sofort in Spezial-Operationsräumen von besonders ausgebildeten Unfallchirurgen versorgt.
    Erika legte das Buch zur Seite. Es war 23.30 Uhr. Sie wusch sich, zog den Pyjama an und legte sich ins Bett. Aber sie schlief nicht sofort ein, als sie das Licht ausgedreht hatte. Sie starrte durch die Dunkelheit an die Decke, auf die blassen Flecke, die die Außenbeleuchtung der Klinikauffahrt durch die Vorhänge ins Zimmer warf.
    Alf, dachte sie … ich bin plötzlich wieder wie ein kleines, verliebtes, ganz, ganz dummes Mädchen. Wenn ich einschlafe und wenn ich aufwache … immer denke ich nur an dich. Ist das nicht furchtbar? Aber ich bin glücklich dabei … und du allein, nur du bist schuld … Aber es ist eine herrliche Schuld …
    Sie war kaum eingeschlafen, als die Alarmglocke schellte.
    Schlaftrunken fuhr Erika aus der Decke, warf den Bademantel über, ergriff Stethoskop und die Injektionstasche und sah auf die rot aufgeflammte Zahl über der Tür. Es wird der Darmkrebs sein, dachte sie.
    Verwundert rieb sie sich die Augen und sah noch einmal zu den Ruflampen hinauf.
    Nicht die Station. Keine Zimmernummer. OP I flammte auf.
    Das muß ein Irrtum sein, dachte sie. Es war kurz nach Mitternacht. Um diese Zeit hat niemand etwas im OP I zu suchen. Unfälle werden in der Unfallstation versorgt. Nur bei Massenunfällen werden die normalen OPs benutzt.
    Sie wandte sich ab und lief zum Fenster. Auf der Unfallstation brannten die Nachtbeleuchtungen. Nichts Ungewöhnliches. Keine Krankenwagen. Keine Unruhe in den unteren Fluren.
    Wieder schellte es. Anhaltend. Die rote Lampe flackerte.
    OP I.
    »Verrückt!« sagte Erika Werner laut. Sie band den Bademantelgürtel fester, schlüpfte in die Schuhe und verließ schnell das Zimmer. Mit dem Aufzug fuhr sie in den Operationstrakt. Der Flur war dunkel. Menschenleer. Kein Laut. Nicht einmal die Sparbeleuchtung brannte. Dieser am Tage so geschäftige Teil des Riesenhauses lag verlassen in der Nacht.
    »Na also!« sagte Erika zu sich. »Vielleicht ein Kontaktfehler im Klingelsystem.«
    Aber sie betrat doch den langen, dunklen Gang. Ein schwacher Lichtschein flog ihr entgegen. Unter der Tür der Sterilschleuse von OP I fiel ein Streifen Licht auf den Boden und kroch ihr entgegen.
    Erika Werner stutzte. Dann rannte sie zur Tür, riß sie auf und trat ein.
    Durch die das Waschzimmer vom Hauptraum trennende Glasscheibe sah sie in den OP. Unter der kleinen Operationslampe hockte Dr. Bornholm, hemdsärmelig, ohne Mund- und Kopfschutz, ohne Gummischürze … in einem Zivilanzug saß er vor einem auf dem OP-Tisch festgeschnallten Mädchenkörper. Blut floß über seine Hände und breitete

Weitere Kostenlose Bücher