Dr. med. Erika Werner
geschnittenen Haaren, mit müden, dunkel umränderten Augen und plötzlich zuckenden Mundwinkeln, als jage ein dauernder Schmerz durch den verhärmten Körper.
»Sicherlich sind Sie nicht über die Maßnahmen der Klinikverwaltung unterrichtet«, sagte Bruno Herwarth freundlich. Aber in dieser Verbindlichkeit lag eine Gefahr, die Bornholm spürte und nicht unterschätzte. »Man hat einen Umbau ausgeschrieben … Ausbau einiger Keller, Ansetzen eines neuen Röntgentraktes, eine neue Wachstation, ich habe mich um die Ausschreibung bemüht und sie bekommen. Ich war am billigsten …«
Bornholm spürte wieder den ekligen Kloß in der Kehle.
»Was soll das, Herr Herwarth?«
Bruno Herwarth blinzelte zu dem großen Arzt hinauf, so wie ein Kurzsichtiger ein Bild aus der Ferne besehen muß.
»Sie haben Anatomie studiert, um den Menschen genau zu kennen … Ich bin dabei, die Anatomie dieses Hauses zu studieren, um es genauso gut zu kennen wie Sie den menschlichen Körper. So habe ich entdeckt, wie man in dieses Haus kommen kann, ohne durch die Pforte zu kommen … auch des Nachts …«
An Bornholms Herz griff es wie mit einer eisigen Hand. Sein Gesicht wurde steinern und kantig.
»Ich dachte, Sie sollten um- und ausbauen?«
»Über dieses Rätsel ist die Kriminalpolizei gestolpert, und das Gericht wußte sich auch keinen Rat. Dabei liegt es doch so nahe. Darf ich es Ihnen zeigen …« Bruno Herwarth holte den Grundrißplan aus der Tasche und entfaltete ihn. Er stellte sich mit dem Rücken zu Bornholm und drückte den Plan gegen die Wand.
»Sehen Sie hier … die kleine Pforte in der Mauer? Man braucht sie nur aufzulassen … aus Vergeßlichkeit. Wer achtet bei so viel Türen und Toren auf eine kleine Mauerpforte, die heute gar keine Funktionen mehr hat und aus der ersten Bauperiode der Klinik stammt? Vielleicht ein Gärtnereingang. Keiner weiß es mehr. Ich habe mich durchgefragt. Tja … und von dieser kleinen Mauerpforte geht ein Weg durch den Garten zu dem Labor, in dem Sie, Herr Doktor Bornholm, Ihre Affen und Ratten hielten. Gegenüber ist eine Kellertür, die in einen leeren Raum führt … früher war es die Wäschekammer der alten Klinik, heute stehen dort ab und zu ein paar Räder der Krankenhausarbeiter. Nehmen wir nun an, auch diese Tür wäre zufällig nicht verschlossen gewesen … ein Arbeiter hat sie aufgelassen, als er sein Rad herausholte. Hier kommt ja doch keiner 'rein, wird er wohl gedacht haben. Was soll man in einem Krankenhaus schon klauen?«
Bruno Herwarth fuhr herum. Der Plan rutschte aus seinen Händen und fiel zu Boden.
»Aber es kam jemand herein, in der Nacht … und man hat etwas gestohlen, nämlich ein junges Leben!« Bruno Herwarth brüllte plötzlich, sein vergrämtes Gesicht war verzerrt. »Und ich werde auch beweisen, wie und wer ihr das Leben stahl … und wenn ich mein ganzes Vermögen in den Beweis setze, in den einen Namen, den ich kenne, den mir aber keiner abnimmt … noch nicht …«
»Sie sind krank«, sagte Bornholm eisig. Mit der Fußspitze schob er den Plan zur Seite. »Sie phantasieren am hellichten Tag. Pforte, Kellertür … machen Sie sich doch nicht lächerlich.«
»Noch bin ich lächerlich, jawohl. Ich nehme es auf mich. Auch den Vorwurf, verrückt zu sein, schlucke ich. Ich lasse alles über mich ergehen, wenn ich dadurch ans Ziel komme. Und ich stehe davor. Sie wissen es so gut wie ich! Sie sollten Ihre Augen im Spiegel betrachten. Angst schreit aus ihnen. Das Geständnis steht in Ihrem Gesicht … aber keiner sieht es. Nur der Blick eines Vaters erkennt es.«
»Man sollte Sie einsperren!« Bornholm trat an Bruno Herwarth vorbei. Die Hand des Architekten hielt ihn zurück. Sie verkrallte sich in seinem Anzugärmel.
»War es ein Unfall … oder wollten Sie Helga still machen, wollten Sie sie töten?«
»Lassen Sie mich los, Sie Idiot!« schrie Bornholm. Er hieb mit der Faust auf die Hand Herwarths. Der Architekt ließ los, er taumelte gegen die Wand und hielt sich den Handrücken fest.
»Du brutaler Hund«, sagte er leise.
Mit großen Schritten eilte Bornholm aus dem Laborflur. Er blieb nicht länger in der Klinik, sondern fuhr nach Hause und rannte dort wie ein gefangenes Raubtier von einer Wand zu anderen.
Er wußte nicht, wie er sich gegen Bruno Herwarth wehren sollte.
Die Hochzeit Professor Bornholms mit der Tochter des Ordinarius' für Chirurgie Professor Dr. Rahtenau war nicht nur ein gesellschaftliches Ereignis.
In beiden Kliniken, der Ersten
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