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Dr. med. Erika Werner

Dr. med. Erika Werner

Titel: Dr. med. Erika Werner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einer Verkürzung des Beines führen konnte, wenn man nur die konservative Behandlung mit Gipsverband und Stillegung des Beines anwandte.
    »Haben Sie Angst davor?« Erika prüfte den Unterschenkel-Extensionsbügel.
    »Wir sollten so etwas den großen Kliniken überlassen, ich kann nicht die Verantwortung übernehmen, wenn irgendein Kunstfehler …«
    »Ich habe bei Professor Rahtenau gesehen, wie man so etwas macht. Wir können das auch hier.«
    Eine halbe Stunde später standen sich Dr. Rumholtz und Erika Werner am OP-Tisch gegenüber.
    Der Nagel für die Dauer-Extension wurde in örtlicher Betäubung durch den Kalkaneus eingeschlagen. Dann wurde der Bügel eingesetzt, und die kunstgerechte Reposition und Einstellung im Schraubenzugapparat begann. Immer wieder wurde die Richtung des Knochens durch Röntgenaufnahmen kontrolliert, bis Dr. Rumholtz zufrieden nickte.
    »So kann er bleiben«, sagte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Und in dieser Stellung schlagen wir den Küntschernagel ein«, sprach Erika Werner.
    Dr. Rumholtz sah Erika groß an. Er widersprach nicht mehr. Welch eine Frau, dachte er bloß. Sie gehört niemals hierher in das Zuchthaus! Warum hat sie kein Vertrauen zu uns? Warum trägt sie die Last einer Schuld mit sich herum, die ihr keiner glaubt und die sie durch ihr Geständnis jedem einreden will? Welch ein großes Geheimnis steht hinter ihr? Ist es nur dieser Dr. Bornholm?
    Plötzlich haßte er diesen Mann.
    Der Aufstieg Bornholms war unaufhaltsam.
    Nach der Veröffentlichung seiner Artikelserie, nach den Diskussionen um seinen Namen und sein ›Kunstblut‹ häuften sich die Angebote. Schwiegervater Professor Rahtenau suchte das beste von ihnen heraus: Die Chefarztstelle einer großen Unfallklinik. Die Universität ernannte ihn zum a.o. Professor. Seine Vorlesungen waren überfüllt … in den Gängen standen die Studenten, sie brachten sich Klappstühlchen mit oder saßen auf den Fensterbänken.
    Es war ein Höhenflug, den Bornholm in einer Art Trunkenheit genoß. Auch Erika Werner ließ er an seinem Glück teilhaben. Er schickte ihr die Zeitungsausschnitte mit den Berichten seiner Ernennung, seinen Bildern, die Besprechungen seiner Referate … Nachdem sie die strenge Postzensur des Zuchthauses passiert hatten, wurden die Briefe und Artikel von Dr. Rumholtz an Erika weitergegeben.
    »Ihr ehemaliger Chef hat es erreicht!« sagte er einmal dabei mit einem Unterton von Sarkasmus. »Frei von aller Unbill, die seine Umwelt sonst erleidet.«
    »Was meinen Sie damit?« Erika Werner stopfte die Briefe in ihre Arztkitteltasche. »Sie können Professor Bornholm nicht leiden, nicht wahr?«
    »Das kann man wohl sagen!«
    »Und was hat er Ihnen getan?«
    »Absolut nichts. Darum verachte ich ihn ja!«
    Erika Werner wandte sich ab. Sie wußte, was Dr. Rumholtz mit dieser Andeutung sagen wollte, und sie hatte jedesmal eine tiefe Angst, er könnte ihr ihr Geheimnis ins Gesicht sagen.
    Mit der Ernennung Bornholms zum Professor verschob man auch die Hochzeit. Rahtenau hatte es sich als ein Doppelfest ausgedacht: Überreichung der Lehrurkunde und Wechsel der Ringe. Unter den Augen der Weltöffentlichkeit sollte beides vonstatten gehen. So sehr Rahtenau mit seinem Wesen und seiner Lebensart im verflossenen Jahrhundert verwurzelt war … bei seiner Tochter entdeckte er den Wert der Publicity.
    Bornholm sträubte sich gegen diesen Aufwand. Vergeblich. Auch Petra, von ihren zur Wahrheit werdenden Jungmädchenträumen in den Himmel gehoben, erstickte seine Argumente mit Küssen.
    Noch bevor Professor Bornholm seine Chefarztstelle übernahm, hatte er eine unangenehme Begegnung in der Ersten Medizinischen Klinik seines Schwiegervaters.
    Auf dem Flur zu den Labors traf er auf einen Mann, der mit einem Bauplan in der Hand den Grundriß der Klinik kontrollierte.
    Fast gleichzeitig sahen sie sich an. Langsam faltete der Mann seinen großen Bauplan zusammen.
    »Was machen Sie denn hier, Herr Herwarth?« fragte Bornholm. »Draußen an der Tür steht: Eintritt verboten!«
    »Ich weiß.« Bruno Herwarth steckte den Bauplan in seine Rocktasche. »Ich studiere die Lage der Räume und Eingänge …«
    »Ich wüßte nicht, daß man Sie beauftragt hat …«
    »Doch, doch!« Der Architekt nickte. Bornholm hatte ihn in den vergangenen Wochen seit dem Prozeß nicht wieder gesehen. Er war alt geworden. Nach vorn gebeugt stand er in dem langen Laborflur, ein vergrämter Mann in einem ungebügelten Anzug und schlecht

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