Dr. med. Erika Werner
erkannte ihn genau.«
Plattner schrieb die doppelte Aussage mit, aus Sicherheit gegen das Argument, die Aussage und die Nennung des Namens sei aus einer plötzlichen Geistesverwirrung entstanden.
»Weiter, Schwester«, sagte er leise.
»Weiter nichts, Herr Rechtsanwalt. Das Mädchen war die Tote, die wir später im Eiskeller fanden. Das Mädchen, das Doktor Erika Werner getötet haben sollte. Ich habe Doktor Bornholm auch nicht gehen sehen … ich bin nach dem Abschließen des Giftschrankes sofort wieder zurück in die Klausur und in mein Bett. Ich habe mir damals nichts dabei gedacht. Ärzte sind manchmal so … wissen Sie … heimlich, mit Mädchen. Aber am nächsten Morgen, als man die Tote fand …« Schwester Lutetia starrte auf das holzgeschnitzte Kruzifix. »Das ist meine Schuld«, flüsterte sie. »Meine große Schuld … ich habe geschwiegen … Ob Gott mir das verzeiht? Ich habe solche Angst vor Gott.«
Dr. Plattner erhob sich und deckte den Mumienkörper wieder zu. Schwester Lutetia hatte sich während des Redens aufgedeckt. »Gott hat andere Sünder als Sie, Schwester. Er wird darüber lächeln, glauben Sie mir.« Er setzte sich auf die Bettkante und breitete den beschriebenen Bogen Papier auf der Bettdecke aus. »Ich lese Ihnen jetzt vor, was Sie erzählt haben, Schwester. Und dann unterschreiben Sie es.«
»Ja!« sagte die Sterbende und starrte auf das Kruzifix.
Langsam las Dr. Plattner Wort für Wort vor. Eindringlich, damit der Sinn der Worte das weggleitende Bewußtsein noch erreichte. Als er zu Ende war, lag Schwester Lutetia mit geschlossenen Augen da. Ein heftiger Schrecken durchfuhr Dr. Plattner.
»Schwester!« rief er und beugte sich über das verrunzelte Gesicht. »Schwester … hören Sie?!«
»Ich höre alles.« Es war wie ein Hauch. »Ja, das habe ich gesagt. Ich unterschreibe.«
»Sofort!«
Dr. Plattner rannte zur Tür und riß sie auf. Auf dem Flur stand die Oberin wie eine Wächterin. Am Fenster, gegenüber der Tür, standen drei weitere Schwestern und beteten aus dem Gebetbuch die Sterbebitten.
»Kommen Sie bitte herein!« sagte Dr. Plattner und trat aus der Tür. Er wartete, bis die Schwestern in das Zimmer gegangen waren und schloß dann wieder die Tür. »Bitte, überzeugen Sie sich, daß Schwester Lutetia noch bei vollem Bewußtsein ist und alles weiß, was sie sagt. Sie möchte eine Aussage unterschreiben, und Sie bitte ich als Zeugen gegenzuzeichnen.«
Die Oberin sah verwundert auf die Sterbende. Aber sie fragte nicht. Einen Anwalt und einen Pfarrer hatte Schwester Lutetia verlangt. Damit würde sie mit Gott ins reine kommen.
»Ich bin bei vollem Verstand«, sagte die Sterbende mit letzter Kraftanstrengung. Ihre Stimme klang hohl in die Stille hinein.
»Wir sehen es, Schwester.« Die Oberin nickte gütig.
Dr. Plattner schob das Blatt mit der Aussage zu Schwester Lutetia hin. Zwei der Schwestern stützten sie. Mit zitternden Fingern nahm sie den Kugelschreiber und setzte ihren Namen unter das Dokument. Dann unterschrieben die Oberin und die drei anderen Ordensfrauen.
»I ch danke Ihnen«, sagte Dr. Plattner erschüttert. Er gab der Sterbenden die Hand. Sie umklammerte seine Finger.
»Machen Sie alles wieder gut«, sagte sie kaum hörbar.
»Das verspreche ich Ihnen.«
Mit einem Seufzer sank Schwester Lutetia zurück.
»Und jetzt den Pfarrer«, sagte sie röchelnd.
»Er wartet schon.«
Leise verließ Dr. Plattner das Krankenzimmer. Auf dem Flur begegnete er dem Pfarrer mit der Stola und einem Meßjungen, der ein großes Kruzifix trug.
Der Erste Staatsanwalt war ein wenig ungehalten, daß das Hausmädchen wieder nach dem Mittagessen, in der Stunde, in der er seinen Kaffee zu sich nahm, die Zeitung las und mit seiner Frau alltägliche Sorgen austauschte, einen Besucher anmeldete. Nur, weil es Dr. Plattner war, der Sohn des Bundesbruders, reagierte der Erste Staatsanwalt nicht sauer, sondern ließ Dr. Plattner bitten, die freie Stunde zu stören.
»Kommen Sie mir nicht mit der dummen Wiederaufnahme des Falles Werner!« rief er gleich, als Plattner ins Wohnzimmer trat und der Frau des Staatsanwaltes die Hand küßte. »Die Sache ist abgeschlossen, ein Antrag auf Strafnachlaß läuft, und er läuft gut und erfolgreich, so daß Fräulein Werner in vier bis fünf Monaten wieder ein freier Mensch sein wird! Was wollen Sie mehr?!«
»Gerechtigkeit!«
»Also doch Fall Werner! Ich wußte es!« Der Erste Staatsanwalt ließ sich in seinen Sessel fallen. »Mit so etwas
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