Dr. med. Erika Werner
Gremium erfahrener Herren unter Ihrer Leitung, Herr Kollege, Fräulein Werner mit Erlaubnis der Staatsanwaltschaft untersucht. Ich glaube, Sie werden zu einem eindeutigen Schluß kommen! Stellen Sie sich vor … sie widerruft ihr Geständnis nach fast eineinhalb Jahren und behauptet, ich hätte das Mädchen getötet. Dabei ist erwiesen, daß ich erst am nächsten Tag gegen 11 Uhr in die Klinik kam und das Geschehene vorfand. Die Schädigung meines Ansehens und des gesamten akademischen Standes, wenn es zu einem neuen Prozeß auf Grund dieser wahnwitzigen Aussage kommt, ist gar nicht abzusehen. Auch daran sollten wir denken. Die Öffentlichkeit hört und sieht ja mit! Es kann zu einer Vertrauenskrise gegenüber uns Ärzten kommen –«
Professor Berrenrath sah auf seine glimmende Zigarre. Sein langes Greisengesicht war sehr betroffen.
»Es ist wirklich ein großes Problem«, sagte er nachdenklich. »Ich werde mit einigen Herren und später mit der Staatsanwaltschaft darüber sprechen.«
Innerlich ein wenig wohler, aber noch nicht ganz zufrieden ließ sich Professor Bornholm in seine Klinik fahren.
Er besprach mit seinen Oberärzten den Operationsplan für den morgigen Tag, besuchte noch einmal die schweren Fälle, die er am Vormittag selbst operiert hatte, fuhr dann zurück in die Stadt und kaufte Petra ein goldenes, mit Rubinen besetztes Armband.
Den Abend verbrachte er mit ihr in der Oper. Glücklich saß Petra mit ihrem neuen Armband in der Loge und sah auf die Bühne, wo die Zigeunerin Azuzena die Herkunft des Troubadours erzählte. Bornholm saß zurückgelehnt im Sessel und starrte an die Logendecke. Jeder, der ihn sah, dachte, daß ihn die Verdische Musik völlig gefangen nehme. In Wahrheit dachte er nach, suchte neue Wege, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, und grübelte nach einer Möglichkeit, den Prozeß erst gar nicht beginnen zu lassen.
Hinauszögern, dachte er. Das ist eine alte und wirksame Taktik. Damit bringen die Sowjets die ganze Welt durcheinander und zerren an den Nerven. Zeit gewinnen … das ist es. In dieser Zeit kann vieles geschehen, was man vorher nicht überblicken kann. Erika kann für nicht zurechnungsfähig erklärt werden, die Staatsanwaltschaft kann überzeugt werden, ein guter Anwalt kann vieles erreichen … Was man braucht, ist Zeit …
Die Hoffnung Bornholms ging nicht auf. Die Staatsanwaltschaft arbeitete schneller, als es Bornholm erwartet hatte.
Nach Prüfung der Aussage der Schwester Lutetia und nach Abhören des Tonbandes, das allerdings nicht als Beweismittel zugelassen würde, unternahm der Erste Staatsanwalt mit Weisung des Generalstaatsanwaltes, der vorsorglich gefragt wurde, keine Wiederaufnahme. Er ging massiver vor.
Er erhob Anklage gegen Professor Dr. Bornholm wegen Meineides, fahrlässiger Tötung nach § 218, Betrug und Erpressung.
Von einer Verhaftung wegen Verdunklungs- oder Fluchtgefahr sah er ab. Es gab nichts mehr zu verdunkeln.
Petra war allein zu Hause, als der Briefträger das Schreiben des Gerichtes mit Zustellungsurkunde ablieferte. Sie zögerte, den Brief zu öffnen, aber dann riß sie doch das Kuvert auf.
Unbeweglich las sie die ungeheuerliche Anklage. Sie begriff einfach nicht, wie es möglich war, so etwas zu schreiben. Was sie nicht wußte, und was ihr Bornholm verschwiegen hatte, waren die vorausgegangenen Untersuchungen und Verhöre, die Kommissar Flecken seit zwei Wochen in der Klinik mit Bornholm anstellte. Verhöre, die Bornholm wie eine Beleidigung hinnahm und die er immer wieder mit dem Hinweis auf die Unzurechnungsfähigkeit Erika Werners abbog.
»Ich verlange ein psychiatrisches Fachgutachten!« hatte er zuletzt gerufen. »Dieses Affentheater um Nichts mache ich nicht mehr mit!«
Auch die Anwälte, die Bornholm sich genommen hatte, rangen um die Zeit. Sie erhielten, wie Bornholm, an diesem Tage die Anklage und riefen sofort in der Klinik an.
Bornholm war nicht zu erreichen. Er operierte gerade. Er durfte nicht gestört werden.
So geschah es, daß Professor Bornholm zum Mittagessen nach Hause kam und das Haus verlassen vorfand. Nur das Hausmädchen saß verschüchtert in ihrem Zimmer. Es hatte die Kündigung bekommen.
»Was ist denn hier los?« rief Bornholm. »Wo ist meine Frau?«
»Bei dem Herrn Professor, ihrem Vater.«
»Und warum sitzen Sie herum?«
»Ich werde in einer Stunde abgeholt.«
»Abgeholt?!«
»Ja. Ich bin doch entlassen worden.«
»Entlassen? Ja, ist denn hier alles verrückt?« Bornholm schlug die Tür
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