Dr. med. Erika Werner
zu, rannte aus dem Haus zu seinem Wagen und fuhr in rasender Fahrt zur Villa seines Schwiegervaters.
Professor Rahtenau erwartete ihn bereits. Hoheitsvoll saß er hinter seinem Schreibtisch und erhob sich nicht, als Bornholm ins Zimmer stürmte.
»Was wird denn hier gespielt?!« rief er. »Darf ich um Aufklärung bitten?! Wo ist Petra?!«
Der alte Rahtenau sah verwundert auf seinen Schwiegersohn. »Man sollte annehmen, daß du jetzt weißt, worum es geht.«
»Kein Wort verstehe ich!«
»Ich bitte dich! Der Brief …«
»Welcher Brief?!«
»Petra hat ihn in Empfang genommen. Er liegt bei dir zu Hause. Bitte, rede mir nicht ein, daß du nicht wüßtest –«
»Ich habe keinen Brief gesehen! Was soll der Unsinn? Ich komme aus der Klinik und finde meinen Haushalt in der Auflösung begriffen. Das Mädchen ist gekündigt …«
»… und Petra ist bereits auf dem Weg nach Italien.«
»Nach Italien?« Bornholm riß sich den Schlips auf. »Seid ihr denn alle verrückt?!« schrie er.
»Nicht ganz.« Professor Rahtenau suchte in einem Telefonverzeichnis eine Nummer, dann drehte er die Wählscheibe und hielt den Hörer Bornholm entgegen.
»Dein Anwalt! Hör dir an, was er sagt.«
Mit bleichem Gesicht legte Bornholm ein paar Minuten später den Hörer zurück. Professor Rahtenau räusperte sich.
»Nun?« sagte er.
»Diese Anklage ist purer Unsinn! Erika Werner ist schizophren. Professor Berrenrath wird es bezeugen! Ich kann beweisen –«
»Was kannst du beweisen?«
»Du glaubst doch nicht etwa auch …«, stotterte Bornholm.
»Ich wage nicht daran zu denken. Auf jeden Fall halte ich es für besser, wenn Petra in Italien bleibt, bis der Prozeß zu Ende ist.«
»Du mißtraust mir?!« rief Bornholm.
Der alte Rahtenau nickte langsam. »Ja.«
»Dann bleibt mir nichts mehr zu sagen!« Bornholm rannte zur Tür zurück. Bevor er sie aufklinkte, wandte er sich noch einmal um. »Aber wenn der Prozeß die Haltlosigkeit aller Anklagen beweist, sprechen wir in einer anderen Sprache erneut miteinander!«
»Ich glaube es kaum.« Professor Rahtenau erhob sich schwer.
Wütend rannte Bornholm aus dem Haus. Im Auto beruhigte er sich etwas. Langsam fuhr er zur Stadt hinaus und parkte am Rand des Stadtwaldes, steckte sich eine Zigarette an und zwang sich, leidenschaftslos seine Situation zu durchdenken.
Er war jetzt allein. Petra war gegangen … ob freiwillig oder unter dem Druck ihres Vaters, das war im Augenblick nicht wichtig. Seine Stellung als Chefarzt war gefestigt. Sein Ruf als Wissenschaftler war fest fundiert. Den Namen Bornholm kannte man in allen medizinischen Zentren. Was er sich einmal erträumt hatte, war Wahrheit geworden. Seine Karriere war glänzend verlaufen.
In diesem Stadium konnte man auf vieles verzichten, was einmal dringend notwendig gewesen war. Verzichten konnte man auch auf Professor Rahtenau. Er war alt geworden und jetzt nur noch ein Anhängsel, das man aus Pietät mit herumschleppte. Sein Einfluß war erschöpft. Auch auf Petra konnte man verzichten. Zwar war sie hübsch und jung, aber auch sie hatte ihre Aufgabe als Steigbügel zum Ruhm erfüllt. Sie konnte ihm jetzt nicht mehr geben als ihre Jugend und eine Liebe, die Bornholm nichts Neues mehr war.
Ein verzweifelter Gedanke setzte sich in ihm fest und nahm Gestalt an. Ein Gedanke, der eigentlich alle Probleme wegwischte, zumindest für ein paar Jahre. Was dann kam, mußte man eben abwarten.
Eine Scheidung von Petra. Abbruch aller Brücken zu Rahtenau. Ein neuer Besuch bei Erika Werner und Vorlage des Antrages auf Scheidung. Wenn sie dies sah, würde sie nicht mehr an seiner Liebe zweifeln und wiederum alles widerrufen, was sie gesagt hatte. Ihr Schweigen aber war Bornholms einzige Zukunft.
»Wenn mir dies gelingt!« sagte Bornholm vor sich hin. Er zerdrückte die Zigarette am Rand des Autoaschenbechers.
Er startete wieder, fuhr einen Halbkreis und kehrte in die Stadt zurück. Seine Rechtsanwälte warteten schon auf ihn im Sprechzimmer der Klinik. Sie hatten ziemlich betretene Gesichter, als Bornholm hereinkam.
»Aber meine Herren!« sagte er lachend. »Was betrübt Sie so? Diese Klage? Ist doch eine Dummheit! Lächerlich direkt. Aber etwas anderes erwarte ich von Ihnen … eine schnelle und glatte Scheidung! Ich möchte mich von meiner Frau auf dem kürzesten Weg scheiden lassen!«
Während er aus seinem Wandschrank die Cognacflasche und drei Gläser holte, beobachtete er seine Rechtsanwälte.
Er hatte noch nie so viel Ratlosigkeit
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