Dr. med. Erika Werner
und Verblüffung auf einmal gesehen.
Wenn auch die Anklage erhoben worden war, so ließ der Erste Staatsanwalt doch keinen Zweifel offen, daß es eine ziemlich faule Sache war.
Dr. Plattner saß ganz offiziell dem väterlichen Freund in dessen Büro gegenüber und hörte sich an, was die Anklagebehörde – diesmal amtlich – zu sagen hatte.
»Das Tonband … Sie wissen, Herr Doktor –«
»Ich weiß.« Dr. Plattner nickte. »Schalten wir es als Beweismittel aus. Immerhin aber enthält es – zum Privatgebrauch gewissermaßen – das Geständnis Dr. Bornholms.«
»Ich darf es amtlich nicht zur Kenntnis nehmen!«
»Immerhin sitzt es im Hirn fest. Und wenn er leugnet und wieder schwört, wissen Sie, daß es ein Meineid ist.«
»Den ich ihm nicht beweisen kann!« Der Erste Staatsanwalt legte die Hand auf den Bogen Papier, auf den Plattner mit seinem Kugelschreiber die Aussage der Schwester Lutetia gemacht hatte.
»Das hier ist genauso ein faules Ei«, sagte der Staatsanwalt. »Die Schwester ist drei Stunden nach ihrer Aussage gestorben. Uns liegt ein Gutachten vor, daß sie seit vier Jahren an einer hochgradigen Cerebral-Sklerose litt. Sie wissen, wie das ein geschickter Anwalt auslegen kann!«
»Mist!« sagte Dr. Plattner ehrlich.
»Die Aussage kann null und nichtig werden, wenn man die gute tote Schwester Lutetia als verkalkte Greisin hinstellt, die Namen und Orte und Geschehnisse verwechselt –«
»Dazu sind ihre Ausführungen zu präzise. Es stimmen Ort, Uhrzeit, Personen …«
»Und außerdem ist sie tot! – Dann haben wir das Zeugnis einer psychiatrischen Ärztegruppe unter Leitung von Professor Berrenrath, daß Erika Werner schizophren ist.«
»Was?« Dr. Plattner schnellte hoch. »Davon weiß ich ja noch gar nichts!« Er schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch des Ersten Staatsanwaltes. »Das ist eine bodenlose Gemeinheit. Das ist …«
»Ein Trumpf der Gegenseite, lieber Doktor. Sie sehen, man arbeitet mit allen Mitteln! Und ich befürchte, daß es solche Gegenbeweise sind, die das Gericht wiederum zu einem Freispruch Doktor Bornhohns kommen lassen.«
»Der Plan Bruno Herwarths, der genau aufzeichnet, wie Bornholm in der fraglichen Nacht –«
Der Erste Staatsanwalt hob die Hand und schnitt Dr. Plattner das Wort ab.
»Eine Theorie, weiter nichts.«
»Sie deckt sich mit der Aussage der Schwester Lutetia, die den gleichen Weg beobachtet hat!«
»Gut. Das wäre ein Indiz! Aber was uns fehlt, wäre ein zweiter Augenzeuge.«
»Es gibt ihn nicht.«
»Leider! Oder vielleicht doch. An diese alte Schwester hat auch keiner gedacht. Und plötzlich war sie da. Vielleicht hat ein Kranker Bornholm gesehen. Es ist ja möglich, daß jemand in der Nacht am Fenster stand und Luft schöpfte oder von der Toilette kam und schnell mal hinaus in den Garten schaute und dabei Bornholm und das Mädchen sah.«
Dr. Plattner schüttelte verzweifelt den Kopf. »Das kann eine monatelange Ermittlungsarbeit bedeuten.«
»Wenn Sie Erfolg hat –«
»Und so lange sitzt Fräulein Werner noch im Zuchthaus. Kein Tag, keine Stunde kann ihr wiedergegeben werden.«
»Warum hat das dumme Luder bloß gestanden?!« rief der Erste Staatsanwalt wütend.
»Warum?« Dr. Plattner hob die Arme. »Wissen wir, was in einer Frau vorgeht, wenn sie liebt?«
Dr. Rumholtz war mehr als verblüfft, als der Zuchthausdirektor in Begleitung dreier Herren im Zuchthausrevier erschien und diese als drei bekannte Psychiater vorstellte.
»Herr Professor Berrenrath ist beauftragt, bei Erika Werner einige Untersuchungen vorzunehmen«, sagte der Oberregierungsrat.
»Psychiater?« Dr. Rumholtz drückte die Hände der drei Koryphäen und sah zu Professor Berrenrath hin. »Ich verstehe nicht ganz, warum –«
»Es liegt ein Antrag vor, dem die Staatsanwaltschaft stattgegeben hat.« Professor Berrenrath setzte sich und sah sich interessiert um. Es war das erstemal, daß er in einem Zuchthausrevier saß. Bisher hatten die Untersuchungen immer in der geschlossenen Abteilung seiner psychiatrischen Klinik und Heilanstalt stattgefunden. Seine Gerichtsgutachten waren bekannt wegen ihrer Klarheit und Prägnanz und ihrer sicheren Diagnose.
»Es ist ganz gut, wenn wir uns erst einmal unter uns unterhalten. Diese Erika Werner leidet unter Depressionen?«
»Ich wüßte nicht, wieso«, sagte Dr. Rumholtz. »Sie hat zwar einen Nervenschock erlitten –«
»Interessant!« Professor Berrenrath machte sich einige Notizen in einem rot eingebundenen großen
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