Dr. med. Erika Werner
den des Menschenschutzes stellen sollte.«
Der Tierpfleger kam aus dem Stallteil in das Labor. Er trug auf dem Arm, wie ein kleines Kind, einen narkotisierten Affen. Den schlaffen Körper legte er auf den Marmortisch. Erika sah, daß beide Armbeugen über den Venen bereits glattrasiert und mit Jod eingepinselt waren. Der kleine Affe schnarchte, und die Augendeckel flatterten, als träume er etwas Aufregendes.
»Kleiner Kerl«, sagte Erika und streichelte über den Leib des Äffchens. Bornholm schob einen fahrbaren Instrumententisch an die Marmorplatte. Er schielte zu Erika hinauf.
»Mitleid ist ein Feind der Wissenschaft …«
»Was wollen Sie mit ihm tun?«
»Ich werde ihn ausbluten lassen …«
»Nein!« rief Erika, etwas lauter, als sie es selbst wollte.
»Es klingt roher, als es ist, Fräulein Werner.« Dr. Bornholm suchte die großen Hohlnadeln. Mit Kunststoffschläuchen verband er sie mit einer gläsernen Maschine, die der Wärter heranschob. Ein Thermometer zeigte an, daß im Inneren der Maschine die gleiche Temperatur herrschte wie im Körper des kleinen Affen. »Dem haarigen Burschen wird nichts geschehen …« Er legte die Hohlnadeln neben die Armbeugen des Affen und sah voll zu Erika auf. Ihr Gesicht war bleich und wie versteinert.
»Das Problem ist, einen Körper, der ausgeblutet ist, doch noch am Leben zu halten! Das klingt verrückt, ich weiß. Ich habe eine physiologische Flüssigkeit entwickelt, die als Blutersatz gelten soll. Nun weiß jeder Student im zweiten Semester, daß Blut ja keine bloße rote Flüssigkeit ist, sondern ein Zellverband in flüssiger Form. Kein Mensch aber kann Zellen herstellen. Könnten wir das, hielten wir das ewige Leben in der Hand. Mir geht es darum, einem ausgebluteten Körper so viel physiologische, blutverwandte Flüssigkeit zuzuführen, bis die Bluterneuerungsorgane Leber und Milz in die Flüssigkeit so viel Zellen abgeben, daß aus dem ›synthetischen‹ Blut wieder echtes Blut wird!«
Der Tierwärter hatte unterdessen den kleinen Affen festgeschnallt. Vorsichtig, aber mit großer Sicherheit führte Bornholm die Hohlnadeln in die Armvenen ein. Das Kontrollglasröhrchen am Ende der Nadel füllte sich mit Blut. Leise summte der Motor der gläsernen Blutmaschine. Bornholm überflog noch einmal die Uhren und Thermometer, dann öffnete er den kleinen Hahn an den Kunststoffschläuchen. Das Blut des Äffchens rann in den Glaszylinder der Maschine, in den künstlichen Körper.
Gleichzeitig kontrollierte Bornholm mit einem Membranstethoskop die Herztätigkeit. Erika Werner hielt den Puls unter Beobachtung.
Das Herz des kleinen Affen begann zu flattern, der Puls wurde weich, immer weniger tastbar, ein Flimmern flog durch den schmächtigen Körper, die Haut unter dem struppigen Fell wurde kalt und weißlich. Bornholm schloß den rechten Hahn, zog die Hohlnadel aus der Vene und stieß eine andere Hohlnadel in die Oberschenkelvene des Tieres. Von einer zweiten gläsernen Pumpe aus lief eine wässrige, trübe Flüssigkeit durch den Schlauch bis zum Sperrhahn. Sie hatte die gleiche Körpertemperatur wie das echte Blut, den gleichen Sauerstoff- und Kohlesäuregehalt.
Erika richtete sich auf. Ihr Gesicht war noch blasser.
»Puls weg«, sagte sie heiser.
Bornholm beugte sich über die Brust des Affen. Sein Stethoskop tastete über das Herz. Es war nicht mehr zu hören.
»Klinisch ein exitus!« sagte er laut. »Tod durch Verbluten!« Er zog die zweite Hohlnadel aus der Armvene und überklebte das kleine Loch mit einem Leukoplaststreifen. Dann öffnete er den Hahn der zweiten gläsernen Maschine. Gleichzeitig legte der Tierpfleger einen elektrischen Reizapparat auf die Brust des Affen und begann, Stromstöße durch den Körper zu schicken. Während sein sogenannter ›Blutersatz‹ in den ausgebluteten Körper gepumpt wurde, massierte Bornholm das Herz des kleinen Tieres, preßte den Brustkorb zusammen, ließ ihn wieder hochschnellen, immer und immer wieder, bis ein Zittern unter seinen Händen spürbar wurde.
»Hören Sie!« rief er Erika zu. »Das Herz kommt wieder! Es pumpt …«
Die zusammengesunkene Brust des Äffchens hob sich plötzlich, als würde sie von innen wie ein Ballon aufgeblasen. Langsam begann die Atmung wieder, die Augendeckel flatterten, die kleinen, schwarzen Krallenhände öffneten und schlossen sich.
Mit starren Augen sah Erika auf die Rückkehr ins Leben. Was Dr. Alf Bornholm hier an einem kleinen Tier bewies, konnte morgen schon die Rettung
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