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Dr. Ohio und der zweite Erbe

Dr. Ohio und der zweite Erbe

Titel: Dr. Ohio und der zweite Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Stichler
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Unterführung, die den Park mit der Altstadt verband. Mitten auf dem Weg vor einer Parkbank und einer kleinen, silbernen Mülltonne saß eine gewöhnliche, steingraublaue Taube. Sie saß nur da, pickte nichts und lief nicht herum.
    „Da“, sagte Dr. Ohio leise. Die Taube bemerkte sie nicht, auch als sie sich weiter näherten. Sie saß da, ihr leerer Blick war auf irgendeinen Gegenstand gerichtet, den niemand kannte. Ihr Kopf bewegte sich langsam, wie in halbem Schlaf. Erst als sie schon fast auf sie traten, schüttelte sie sich, als schrecke sie aus einem schweren Traum hoch, sah Erika und Dr. Ohio beinahe vorwurfsvoll an und flatterte zur Seite.
    „Sehen Sie? Die träumende Taube“, sagte Dr. Ohio. „Ich habe sie auf einem Spaziergang mit Höpfner hier entdeckt.“
    Erika sah der Taube erstaunt nach.
    „Bestimmt hat sie etwas an den Augen“, sagte sie. Dr. Ohio verzog leicht den Mund.
    Sie gingen in das Lokal und bestellten Kaffee.
    „Sie haben wirklich viel mit Höpfner unternommen“, sagte Erika einfühlsam, als sie im Halbdunkel an einem der hölzernen Tische Platz genommen hatten. Ein paar wenige Gäste, ausschließlich Männer, saßen an den anderen Tischen, spielten Karten und tranken Bier. „Er muss Ihnen viel bedeutet haben.“
    Ohio zuckte mit den Schultern.
    „Ich weiß nicht. Es klingt so, als seien wir gute Freunde gewesen, das stimmt. Aber niemand ist darüber mehr überrascht als ich selbst. Hätten Sie mich letzte Woche gefragt, hätte ich gesagt, Höpfner ist lediglich ein flüchtiger Bekannter. Erst nach seinem Tod wird daraus eine Freundschaft. Oder ich habe es vorher nicht gemerkt. Wie schon so oft“, fügte er leise für sich hinzu.
    „Diese Rituale in der Kirche und am Grab haben mich sehr irritiert“, schob er schnell hinterher, um eventuelle Fragen abzublocken. „Warum trinken alle aus einem Becher und warum werfen die Trauergäste Erde in das Grab? Ich habe das schon in Filmen gesehen, aber eigentlich nie darauf geachtet. In Japan würde man das für sehr unhygienisch halten.“
    Erika lachte.
    „Na ja, unhygienisch ist es schon, zumindest das Trinken aus einem Becher oder Kelch, obwohl der Priester den Rand jedes Mal mit einem Tuch abwischt. Aber Sie werden mir nicht glauben, wenn ich Ihnen sage, was es bedeutet. Es ist das symbolische Blut Christi, der für die Leiden und Sünden der Menschen gestorben ist. Eines Tages wird er uns alle erlösen und in den Himmel führen, heißt es.“
    „Ich erinnere mich.“ Dr. Ohio schüttelte sich. „Eine sehr kannibalische Religion, das Christentum.“
    Am nächsten Tag waren dieselben Leute in Höpfners Bibliothek versammelt wie beim ersten Treffen. Die Haushälterin, der Gärtner und die Köchin saßen wieder auf den Stühlen, die für sie bereitgestellt waren. Värie Wieri saß aufrecht auf der Kante eines Lesesessels. Nur eine Änderung gab es: Neben Dr. Laudtner hatte ein älterer Herr mit streng gescheiteltem Haar und randloser Brille hinter dem Schreibtisch Platz genommen. Es war ein Notar vom Nachlassgericht, der das Testament Höpfners korrekt und vollständig verlesen sollte.
    Die beiden Erben, von denen Dr. Laudtner gesprochen hatte, erschienen zum festgesetzten Termin um 14.00 Uhr nicht. Der Anwalt und der Notar beschlossen, der Form halber noch eine halbe Stunde zu warten, die unter dem lauten Ticken einer alten Tischuhr auf dem Kaminsims, die Dr. Ohio vorher nie bemerkt hatte, quälend langsam verging.
    Er trat ans Fenster und sah hinaus. Es war kühl draußen, immer noch frühlingshaft, und die Sonne hatte es nicht geschafft, durch den Hochnebel zu dringen. Aus irgendeinem Grund dachte Ohio an die träumende Taube, deren Gedankengänge er sich ebenso verschleiert vorstellte wie die dunklen Bäume des Tannenwalds, den die dünnen Nebelschwaden wabernd umfingen.
    In der Bibliothek herrschte ein undeutliches Zwielicht, die kleinen Leselampen waren eingeschaltet, trugen aber nicht zu einer allgemeinen Erhellung des Raums bei, sondern strahlten stur auf die kleine Tischfläche unter sich. Dr. Laudtner war aufgestanden und unterhielt sich flüsternd mit Wieri, die Köchin und die Haushälterin tauschten leise einige Worte. Das Licht und der Staub der Bücher strickten die kleine Gesellschaft in ein fein gewebtes Netz und der Sekundenzeiger der Uhr schien immer auf derselben Stelle zu ticken. Nie wieder, dachte Dr. Ohio. Nie wieder ...
    „So, ich denke, jetzt reicht es“, sagte Dr. Laudtner auf einmal laut in den Raum. Dr.

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