Dr. Ohio und der zweite Erbe
habe ab und zu Schecks erhalten. Wie man so sagt ... Aber mein Anwalt hat mir geraten, ich soll bis zur Verhandlung auf keinen Fall etwas sagen.“ Seine Augen huschten von Dr. Ohio zu Erika. Dann senkte er den Blick mit einer ruckartigen Kopfbewegung auf die Tischplatte, als ob er dem Henker die Arbeit erleichtern wollte.
Dr. Ohio sah Erika an und hob die Brauen. Seine Assistentin verdrehte die Augen.
„Ihr Anwalt ist Dr. Laudtner, nicht wahr?“, fragte Dr. Ohio sanft. Murnach nickte.
„Na, dann ist doch alles ganz einfach. Dr. Laudtner arbeitet doch mit mir zusammen. Er ist neben mir zum Verwalter der Erbschaft berufen. Sie brauchen also von mir nichts zu befürchten, Herr Murnach. Abgesehen davon hat Dr. Laudtner sicher gemeint, Sie sollten gegenüber der Polizei nichts ohne ihn sagen.“
Murnach schüttelte den Kopf.
„Er hat gesagt, ich soll nichts sagen. Alles könnte gegen mich verwendet werden. Dr. Laudtner muss alles erst ganz genau prüfen, hat er gesagt.“
Dr. Ohio verzog unwillig den Mund.
„Aber Dr. Laudtner weiß doch ganz genau ...“ Abrupt unterbrach er sich. Natürlich wusste Dr. Laudtner ganz genau, dass Murnach eventuell den Aufenthaltsort des zweiten Neffen kannte. Und Dr. Ohio sollte ihn auf keinen Fall erfahren, denn dann wäre die schöne Stiftung flöten, die Höpfner verfügt hatte.
„Herr Murnach“, sagte Erika plötzlich. Sie nahm sich den anderen Stuhl, setzte sich zu ihm und legte ihm die Hand auf den Arm. Murnach zuckte zurück, beugte sich aber gleich wieder vor. „Der Bruder von Schmidt hat nichts zu tun mit Ihrem Fall. Wir wollen Schmidt helfen und das muss doch auch in Ihrem Sinn sein. Wir wollen herausfinden, wo sein Bruder ist. Schließlich muss er doch erfahren, was passiert ist, oder nicht?“ Sie sah ihm ernst und tief in die Augen und versenkte so den Gedanken, den kleinen Stein in seinem Gemüt. Es war ja keineswegs sicher, dass Murnach Schmidt nur aus menschenfreundlichen Gründen und wegen seiner Einsamkeit aufgenommen hatte. Aber in dem Moment, als der warme Strahl von Erikas Blick ihn traf, war er überzeugt davon, dass es so sein müsse, wie sie sagte. Er nickte.
„Aber Dr. Laudtner ...“, flüsterte er schwach.
Erika entzog ihm einen Grad Wärme und kniff die Augen zusammen. Die Hand ließ sie auf seinem Arm liegen.
„Dr. Laudtner arbeitet mit Dr. Ohio zusammen. Die beiden versuchen, das Bestmögliche für Schmidt zu erreichen. Das ist doch klar, oder?“ Wieder nickte Murnau.
Nach kurzer Zeit hatte Erika ihn so weit, dass er ihr erzählte, was er wusste. Dr. Ohio konnte nur staunen.
„Waren Sie beim Geheimdienst?“, fragte er, als sie wieder draußen auf der Straße standen und zum Auto gingen. Erika sah ihn kokett an.
„Da staunen Sie, was? Ich habe schon ein paar Tricks auf Lager. Aber Sie interessieren sich ja nicht dafür.“ Sie öffnete und stieg in den Wagen. Den Türgriff in der Hand, blieb Dr. Ohio versonnen stehen und beobachtete, wie sie wegen des etwas engen Rocks mit einer eleganten Drehung im Auto verschwand. An was mochte es nur liegen, dass ihm auf einmal alles, was ihm begegnete, wie eine neue Möglichkeit vorkam?
Murnach hatte weder eine Anschrift noch eine Telefonnummer von Boris Schmidt. Die Schecks hatte er immer von einer Poststation in Épernay, Champagne, Frankreich, erhalten. Das waren die einzigen Anhaltspunkte, die Murnach geben konnte. Im Telefonbuch von Épernay war Schmidt nicht verzeichnet. Auch eine Adresse war nicht herauszufinden. Was blieb übrig? Dr. Ohio hatte sich kurzerhand dazu entschlossen zu verreisen. Er würde den Neffen in Épernay schon ausfindig machen. Das wäre ja zum Lachen. Jetzt war er schon so weit gekommen, den Rest würde er auch noch schaffen.
„Du flüchtest“, sagte Brigitte. Sie stand am Fenster seines Schlafzimmers und hatte eine Tasse Kaffee in der Hand.
„Gut möglich“, sagte Dr. Ohio. Seine Reisetasche stand auf dem Bett und er legte ein paar Hemden aus seinem Schrank heraus. „Aber wer kann mir das verdenken? Ich hatte gehofft, dass es so weit kommt, um dann festzustellen, dass es nie so weit hätte kommen dürfen.“
„Das ist mir zu hoch“, sagte Brigitte und drehte sich zu ihm um.
Dr. Ohio seufzte.
„Sieh mal: Du hast mir immer vorgeworfen, dass ich mein Leben nicht lebe. Dass ich einer Traumvorstellung nachhänge, die niemals Realität werden kann. Ich dagegen habe immer darauf gehofft, dass du eines Tages erkennen wirst, dass Heinz nicht der Richtige für
Weitere Kostenlose Bücher