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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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Figur zu machen, während Prok mich und Wells in einer Ecke festnagelte und sich über die soeben gehörte Musik (und unsere Forschungen natürlich) verbreitete, als ich bemerkte, daß Iris allein mit Corcoran am anderen Ende des Raums stand, genau wie beim letzten Mal, im Herbst, als wir alle drei bei einem solchen musikalischen Abend gewesen waren. Ich hätte nicht weiter darauf geachtet, wenn sie mir damals am Telefon, während ich im Glashäuschen der Telefonzelle unglücklich in mich zusammengesunken war, nicht gesagt hätte: Er
    hat an mirgehangen wie eine Klette. Prok erzählte President Wells und mir (obwohl ich das schon oft genug gehört hatte), daß er während einer musikalischen Darbietung gern in den Gesichtern der Zuhörer nach Zeichen sinnlicher Erregung suche – ein über siebzigjähriger emeritierter Professor sei bei Mahlers Lied von der Erde tatsächlich sexuell erregt gewesen –, doch ich beobachtete Iris und ihr Gesicht, ich beobachtete Corcoran und sah, daß er jede ihrer Bewegungen vorauszuahnen schien, als tanzten die beiden zur Musik eines imaginären Orchesters. »Prok«, unterbrach ich ihn, »President Wells, würden Sie mich bitte, äh, entschuldigen ... Ich bin gleich wieder da ...«
    Prok sah mich verwundert an, hielt in seinem Redestrom jedoch nicht inne. Als ich in Richtung Toilette davonging, hörte ich ihn sagen: »Natürlich würde ich den Namen dieses Herrn niemals preisgeben, denn es könnte ihm peinlich sein. Obgleich daran eigentlich gar nichts Peinliches ist.«
    Ich hatte, für den Fall, daß Prok und Wells mir nachsahen, einen Umweg über die Toilette gemacht und trat nun von hinten zu Corcoran und meiner Frau, und das schien sie zu erschrecken. Was auch immer es gewesen war, worüber sie eben noch so angeregt geplaudert hatten – es fiel über die Klippe, und die beiden blickten mich verwirrt an. Ich wollte irgend etwas Unbekümmertes sagen wie: »Ich störe doch nicht etwa?«, doch als ich ihre Gesichter sah, blieben mir die Worte im Hals stecken, und ich brachte nur ein »Hallo« heraus.
    Corcoran lächelte mich an. »Oh, hallo, John. Wir haben gerade darüber gesprochen, wie Prok unseren Rektor mit Beschlag belegt hat.« Er sah verstohlen zu den beiden, die noch immer in der Ecke standen. Prok hielt einen Vortrag, Wells unterdrückte ein Gähnen.
    Iris sagte: »Er läßt keine Gelegenheit aus, nicht?«
Ich war mit einem Mal wütend oder gereizt – gereizt ist wohl das bessere Wort. »Da hat er auch recht«, sagte ich und starrte in ihr Gesicht, und jetzt lächelte ich nicht, jetzt war ich nicht leicht und unbekümmert. »Du würdest dich wundern, wie sehr die Institute um Finanzmittel kämpfen müssen. Wir haben Aussichten auf weitere Forschungsstipendien, und das wiederum könnte Wells, oder vielmehr die Universität, überzeugen, uns mehr Mittel für Gehälter, Material, Reisekosten und so weiter zu geben.«
Iris setzte ein kleines amüsiertes Lächeln auf. »Also?« sagte sie.
»Also wirf Prok nicht vor, daß er sich ... daß er sich einschleimt oder wie immer du das nennen willst, denn wenn er nicht wäre, dann wären wir –«
»In den Arsch gekniffen«, sagte Corcoran, und sein Lächeln wurde noch breiter. Er hatte ein Glas mit malvenfarbenem Punsch in der Hand und drehte es mit der anderen Handfläche hin und her, als wollte er gleich drei oder vier weitere nehmen und damit jonglieren, um ein bißchen Schwung in die Party zu bringen, ohne Rücksicht auf Prok und Wells und die kultivierte Atmosphäre des Abends. Doch dann legte er mir eine Hand auf den Arm. »Schon gut, John«, sagte er, und auch Iris wärmte ihr Lächeln auf, »wir sind auf deiner Seite. Wir sitzen doch alle im selben Boot, oder nicht?«
    Ich glaube, das war der Zeitpunkt, an dem sich mein Verdacht regte – Corcoran, der sexuelle Olympier auf der Pirsch, und Iris, die Frau meines Lebens, die noch immer unter dem litt, was ich mit Mac und Prok im Bett getrieben hatte –, doch ich war wie gelähmt. Ich wollte einfach glauben, daß da nichts weiter war als ein gutes Einvernehmen zwischen meinem Kollegen und meiner Frau, und ich fürchtete mich vor einer Konfrontation mit Iris, denn ich wußte, daß sie mir alles, was ich gesagt hatte, an den Kopf werfen würde, jeden Satz, jede Ausrede, jede Rationalisierung, alles, was ich über unser animalisches Wesen ausgeführt hatte, über Sex als reine Körperfunktion, die unabhängig war von irgendwelchen Gefühlen, nicht anders als Hunger oder Durst.

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