Dr. Sex
grün, und die Sonne schien hell auf den Spielplatz mit seinen unbenutzten Schaukeln und Wippen und dem starren Skelett des Klettergerüsts. Der Schuldirektor – ein Mr. McGuiniss, dessen angenehm unspektakuläre Geschichte wir bei unserem letzten Aufenthalt aufgezeichnet hatten, tagsüber, als Ginger nicht gearbeitet hatte – begrüßte uns an der Tür und führte uns in sein Büro. Dort gab es eine Fahne, eine ausgestopfte Eule, die ungelenken, seltsam dynamischen abstrakten Bilder sehr kleiner Kinder sowie ein Fenster mit Blick auf den Spielplatz. »Dr. Kinsey«, sagte McGuiniss – er war klein, kahlköpfig, und seine Fingerspitzen waren von Nikotin verfärbt – »und Mr. Milk, herzlich willkommen. Schön, daß Sie da sind. Wie Sie wissen, haben sich einige Schülerinnen und Schüler freiwillig gemeldet, und ihre Mütter sind ebenfalls hier. Alle sind schon ganz aufgeregt.«
Wir begannen mit zwei Schwestern, fünf und sieben Jahre alt. Der Direktor stellte uns sein Büro zur Verfügung – er hatte auch für ein paar Spielsachen und Bilderbücher gesorgt, um den Kindern die Befangenheit zu nehmen –, und dann trat die Mutter mit den beiden Mädchen ein. Sie war groß, brünett, nicht unattraktiv, mit ausgeprägten Wangenknochen und vollem, kräftig wirkendem Haar, das zu einer Welle frisiert war und von zwei Perlmuttspangen gehalten wurde. Ich wußte, wie alt sie war – neunundzwanzig –, denn ich hatte ihre Geschichte bei unserem vorigen Aufenthalt selbst notiert. (Sie war monogam und seit acht Jahren verheiratet, sie wollte gern mit verschiedenen koitalen Stellungen und oral-genitalen Kontakten experimentieren, war in diesen Dingen jedoch sehr unerfahren und hatte zudem mit dem Widerstand ihres Mannes zu kämpfen. Er war gläubiger Katholik mit typisch unterdrückter Sexualität, er war auch der einzige in dieser Gruppe, der sich nicht hatte befragen lassen.)
Prok und ich erhoben uns und begrüßten sie, während McGuiniss, einen Stoß Papier unter dem Arm, sich mit einer Verbeugung verabschiedete. »Mrs. Perrault«, rief Prok, schüttelte ihr die Hand und lächelte strahlend, »wie nett, daß Sie gekommen sind. Mr. Milk, meinen Assistenten, kennen Sie ja schon. Und« – er wandte sich zu den Mädchen und begrüßte sie mit einer Verbeugung, die sie für ihn einnehmen sollte – »wer sind diese schönen jungen Damen?«
Die Mädchen – Suzie war die Jüngere, Katie die Ältere – hatten den Teint und die großen, feuchten Augen ihrer Mutter. Sie lächelten gezwungen und freuten sich, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, schienen aber auch ein wenig nervös, weil sie nicht wußten, was von ihnen erwartet wurde. »Ich bin Katie«, sagte die Siebenjährige. »Und das ist meine Schwester.«
»Suzie«, sagte die Schwester und drehte sich auf einem Fuß hin und her. »Ich heiße Suzie.«
»Aha«, sagte Prok, der sich noch immer hinunterbeugte, so daß sein Gesicht auf ihrer Kopfhöhe war, »dann seid ihr gar keine Prinzessinnen? Ich war mir sicher, daß ihr Prinzessinnen seid.«
Kichern. Noch mehr Hin-und-her-Drehen. »Nein«, sagte die Kleinere, und beide brachen in Gelächter aus.
»Und wie findet ihr es, das Zimmer des Direktors ganz für euch zu haben? Das ist schon was Besonderes, nicht? Na ja, es ist ja auch ein besonderer Nachmittag für zwei sehr besondere kleine Mädchen. Ich bin Onkel Kinsey, und das« – er wies auf mich, und ich lächelte so aufrichtig wie möglich, um allen Beteiligten zu zeigen, wie vollkommen harmlos ich war – »ist Onkel Milk.«
Die beiden Mädchen musterten mich kurz, und ihr Lächeln wurde etwas unsicher und lebte erst wieder auf, als Prok in seinem fröhlichsten Ton fortfuhr: »Und wen haben wir denn da? Herrn Eule. Seht ihr ihn, da oben? Der ist heute auch dabei. Ich habe mir nämlich ein Spiel ausgedacht, und zwar ein Camping-Spiel. Wart ihr mal mit euren Eltern zelten?«
Oh, ja, ja. Und wo? Ein Seitenblick zur Mutter. »Im Wald«, sagte Katie.
»Gut, sehr gut.« Prok hatte sich im Schneidersitz auf den Boden gesetzt, als wäre er ein Indianerhäuptling, der im Begriff war, die Friedenspfeife zu rauchen. »Also gut«, sagte er, »dann setzt euch mal hin, genauso, kreuzt die Beine wie ich, denn wir spielen jetzt, daß wir im tiefen Wald sind und um ein Lagerfeuer sitzen und Marshmallows rösten. Mögt ihr Marshmallows? Ja? Gut. Sehr gut. Natürlich mögt ihr Marshmallows.« Und er zauberte zwei weiße Marshmallows aus der Manteltasche.
Ich möchte hier darauf
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