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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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eintrittst, Eines schönenTages, nicht zu warm und nicht zu kalt, Werde ich fort sein, und du kannst pfeifen, wie du willst.
    Ich bekam keine Luft. Ich mußte mir einen Drink einschenken und mich in den Sessel sinken lassen, denn ich war mit einem Mal so schwach, daß meine Beine mich nicht mehr trugen. Fort?Werde ich
    fort sein? Was sollte das heißen? Ich konnte es nicht ergründen – meinte sie damit, daß sie mich verlassen würde, daß sie mich nicht mehr wollte, daß Corcoran innerhalb von ... von einer Woche meinen Platz eingenommen und alles ausgelöscht hatte, was zwischen uns gewesen war? Schön? Nein, es war nicht schön, es war verrückt! Ich liebte sie, sie liebte mich. Wie konnte sich das jemals ändern?
    Wenn ich dachte, dies sei der Tiefpunkt – der Austausch bitterer Gedichte, Krieg ohne Feindberührung, der Drink, der Sessel, die leere Wohnung –, so hatte ich mich getäuscht. Denn während ich dort saß, in einer Hand das Glas, in der anderen das Blatt Papier mit Iris’ Handschrift (auch daran hatte ich gerochen, ich hatte es an die Nase gehalten und tief eingeatmet, in der Hoffnung, einen Hauch von ihrem Geruch zu erhaschen), hörte ich ihre Schritte auf der Treppe und ihren Schlüssel im Schloß, und im nächsten Augenblick mußte ich ihr ins Gesicht sehen und mir anhören, daß sie sich verliebt hatte.
    Da war sie, mit gerötetem Gesicht und zerzaustem Haar, und ihre Kleider sahen aus, als hätte sie darin geschlafen (und das hatte sie ja auch, oder vielmehr nein, das hatte sie eben nicht, aber daran wollte ich jetzt nicht denken). Sie trat ein, warf Handtasche und Mantel auf einen Stuhl und sagte, es tue ihr leid, aber so sei es nun mal: Sie habe sich verliebt.
    Ich werde nicht wütend. Ich unterdrücke meine Wut, ich trinke sie wie Angostura Bitter, verdaue sie, schiebe sie durch meine Gedärme und scheiße sie aus. Das hat meine Mutter mich gelehrt. Tu, was ich dir sage. Benimm dich. Lebe für mich. »Wir sind noch nicht mal ein Jahr verheiratet«, sagte ich.
    Sie war zu aufgeregt, sie konnte sich nicht setzen und ging auf und ab, während ich mich an den Sessel klammerte, als wäre das Schiff untergegangen und er das einzige Wrackteil, das mir geblieben war. »Das ist mir egal«, sagte sie. »Es tut mir leid, und ich will dir nicht weh tun – ich werde dich immer lieben, und du warst meine erste Liebe, das weißt du ja –, aber ich habe etwas gefunden, was größer ist als das, und ich kann es nicht ändern. Ich kann nicht.«
    »Er ist verheiratet«, sagte ich, und meine Stimme war flach und tonlos. Der Wasserhahn tropfte, ein donnernder Tropfen nach dem anderen fiel auf das fettige Porzellan der Teller, Tassen und Untertassen in der Spüle. »Er liebt dich nicht. Für ihn ist es nur Sex – das hat er mir gesagt. Es ist nur Sex, Iris. Er ist Sexforscher.«
    Die ganze Intensität in ihrem Gesicht zog sich zu dem erstarrten Öhr ihres Mundes zusammen, und für eine Sekunde dachte ich, sie würde mir ins Gesicht spucken. »So nennst du das – Forschung?« Sie bebte, die Ekstase des Augenblicks ließ ihr Gesicht leuchten, und ihre Augen blickten klar und hart. »Tja, und wennschon, ich liebe ihn, und alles andere ist egal. Auch ich kann forschen, das wirst du sehen. Du wirst schon sehen.«
    Früh am nächsten Morgen, als Prok noch oben im Badezimmer war und seine Zähne putzte und Mac mit Schneebesen, Rührschüssel und einem Becher Kaffee in der Küche stand, ging ich zu dem Haus in der First Street und klopfte an die Tür, bis eines der Kinder mich einließ. Ich weiß nicht mehr, welches es war, möglicherweise Bruce, der Jüngste, der damals dreizehn oder vierzehn war, aber die Tür schwang auf, das jugendliche Gesicht nahm meine Anwesenheit zur Kenntnis und verschwand, so daß ich allein und unangemeldet im Vorraum stand. Hinter mir war die Tür zur Straße weit geöffnet. Zwei Jahre zuvor wäre mir eine solche Situation unendlich peinlich gewesen, doch jetzt empfand ich, während die Geräusche des Hauses mich umrieselten – drei Kinder, die sich für die Schule fertigmachten, und aus dem ersten Stock das Klatschen von Proks Streichriemen –, nichts als Erleichterung. Ich war eingehüllt von Normalität, vom regelmäßigen Wummern der Schritte über mir und dem Murmeln der beiden Mädchen, die sich über den Flur hinweg unterhielten. Ich blieb einen Augenblick stehen und schloß leise die Tür. Es roch nach Kaffee, Butter und heißem Fett, und ich folgte dem Geruch zur Küche und

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