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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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versuchte, das heftige Pochen in meiner Brust zu dämpfen. Mac stand mit dem Rücken zu mir am Herd und schlug Eier in einer Schüssel. Sie trug Hauskleid und Schürze, sie war barfuß und ungekämmt, und als ich ihren Namen sagte, zuckte sie zusammen.
    Verwundert drehte sie sich zu mir um. »John?« sagte sie, als könnte sie sich nicht genau erinnern, wer ich war. »Was machst du denn hier, um diese Uhrzeit? Wollt ihr irgendwohin, Prok und du? Ich dachte, ihr fahrt erst nächste Woche wieder nach Indianapolis.«
    »Nein«, sagte ich und suchte nach den richtigen Worten. »Ich wollte nur, äh ... Ich muß mit Prok reden. Ist er da? Es ist wirklich dringend.«
Ihr Blick war bestürzt. Sie spürte Gefahr und großen Kummer, und ich war völlig fertig, das sah sie sofort. »Hast du schon was gegessen?« fragte sie unvermittelt. »Ich kann ein paar Eier mehr machen. Und Toast – willst du Toast?«
»Ist er oben?«
Vielleicht nickte sie, vielleicht sagte sie auch: »Geh nur rauf«, auf jeden Fall war die Erlaubnis nur eine Formsache, denn ich gehörte dazu, ich war ein Teil dieses Haushalts, dieser Familie, und im nächsten Augenblick sprang ich die Treppe hinauf, wo mir Joan und An-ne, die beiden Mädchen, entgegenkamen, fertig angezogen für die Schule. Vermutlich warfen sie mir einen fragenden Blick zu, möglicherweise kicherten sie auch (sie waren vielleicht siebzehn und sechzehn), aber im Grunde war es etwas ganz Normales: Ich ging die Treppe hinauf, wie ich es schon zuvor getan hatte, John Milk, der gutaussehende junge Mann mit dem widerspenstigen Haar, Daddys Freund, Daddys Assistent, sein Kollege und Reisebegleiter. Ich fand Prok im Badezimmer, er stand vor dem Spiegel und rasierte sich. Die Tür war offen. Er trug Unterwäsche und hatte gerade den letzten Rest Rasierschaum vom Kinn geschabt, als er mich in der Tür bemerkte. »Prok«, sagte ich, »ich hoffe, du ... Ich wußte nicht, mit wem ich reden sollte.«
Ich konnte nichts essen, ich war viel zu aufgewühlt, doch beide, sowohl Prok als auch Mac, bestanden darauf, daß ich Platz nahm, und Mac setzte mir Rührei und Toast vor. Während des ganzen Frühstücks musterte Prok mich mit dem forschenden Blick, den er manchmal hatte, als wollte er mich für eine physiologische Studie über die verschiedenen Reaktionen des Körpers auf Belastung in meine Bestandteile zerlegen, doch was er sagte, galt ausschließlich dem Projekt. »Die Kinder waren wirklich großartig, nicht, Milk? Du hättest sie sehen sollen, Mac: mit vier, fünf Jahren bereits ganz eingebettet in ihre Geschlechterrolle, und mit sieben oder acht hatten etliche von ihnen schon die Geschlechtsorgane des anderen Geschlechts gesehen. Und ein Mädchen war da – erinnerst du dich, Milk? Die Kleine mit den Zöpfen? Sie hatte ihre Eltern nackt gesehen, beide, und zwar regelmäßig.« Als wir fertig waren – ich hatte kaum etwas angerührt –, erhob er sich dynamisch wie immer, zog vor dem Spiegel in der Eingangshalle die Fliege zurecht und sagte, wenn wir pünktlich mit der Arbeit beginnen wollten, müßten wir uns beeilen.
Kaum waren wir aus dem Haus, da fragte er mich, was los sei.
»Es geht um Iris«, sagte ich und mühte mich, mit ihm Schritt zu halten, als wir durch das Gartentor auf die Straße traten. Es fiel mir schwer, die Worte herauszubringen, sie stießen in meinem Kopf zusammen, ebenso wie die Gefühle, die mich auf eine untergründige, drüsengesteuerte Weise im Griff hatten. Prok warf mir einen ungeduldigen Blick zu. »Sie sagt, sie hat sich in Corcoran verliebt und daß« – hier ging ich innerlich in die Knie –, »daß sie zu ihm ziehen will, daß sie mit ihm leben will. Daß sie ...«
Er hielt den Kopf gesenkt, hatte die Schultern hochgezogen und war bereits in seinen energischen Schritt verfallen: Er hatte keine Zeit, und es war reine Zeitverschwendung, auf der Straße herumzustehen und zu plaudern, wenn die Arbeit rief. Er sagte nur: »Das geht nicht.«
Nein, dachte ich, nein, natürlich geht das nicht.
»Aber du warst einverstanden«, sagte ich, »das ist jedenfalls das, was Corcoran mir erzählt hat. Du hast ihm deinen Segen gegeben. Für diese ganze Sache, meine ich.«
Der Seitenblick über die hochgezogene Schulter, mit dem er mich bedachte, war nicht im mindesten mitfühlend. Es war der wilde, gereizte Blick, den er hatte, wenn man ihn herausforderte, wenn die Rices oder Hoenigs dieser Welt aufstanden, um ihn zu kritisieren, sei es aus methodologischen oder aus moralischen

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