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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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und Lippenstift aufgetragen und ihre Nägel lackiert hatte, aber das war nebensächlich angesichts der erhellenden Geste ihrer Nacktheit. Iris war zurückhaltend in ihren Gewohnheiten und bescheiden, was ihren Körper betraf, keine Exhibitionistin wie Violet Corcoran, und sie hatte noch nie nackt vor mir posiert, oder wenn, dann war es im Rahmen des Vorspiels geschehen, in der umgrenzten Freistatt des Betts. »Laß sie zu«, sagte sie leise. »Ich will nicht, daß die Nachbarn uns sehen.«
Ich ging zu ihr, als würde ich an einer Leine geführt. Sie gestattete mir einen Kuß, und ich durfte die Hände auf ihre Brüste und ihren Bauch legen, auf die vertraute Region, bevor sie mich zurückschob. »Aber John«, sagte sie, der Inbegriff von Züchtigkeit, »was tust du denn da? Du weißt doch, daß wir nicht miteinander schlafen können. Hast du denn keine Angst, ich könnte schwanger werden? Wäre das nicht schlimm? Eine Tragödie? Hmm?«
Sie stand jetzt am Herd, mit dem Rücken zu mir, und zündete die Gasflamme unter der Pfanne an. Die Perlen rasselten, der Kater war nirgends zu sehen. Ich schmeckte den Bourbon in meiner Kehle. Im Raum war es heißer als in einer Sauna. Und muß ich Ihnen sagen, daß ich gleich dort über sie herfiel und wir es auf dem Küchenboden taten, ohne einen Gedanken an Mac oder Violet Corcoran oder irgendeine andere Frau auf der Welt, und daß die Kondome blieben, wo sie waren, im hinteren Winkel der billigen, schlecht lackierten Sperrholzschublade des Nachttischs im Schlafzimmer?
    Ich würde gern sagen können, daß John junior in dieser Nacht gezeugt wurde, aber es war nicht so. Monate vergingen, dann neigte sich das Jahr dem Ende zu, der Krieg war vorbei. Prok, Corcoran und ich reisten in kürzeren Abständen und sammelten eifriger denn je Geschichten, und obwohl wir – Iris und ich – uns sehr bemühten, kam ihre Periode so regelmäßig wie immer. Wir lasen Fachliteratur, hielten uns an die empfohlenen Stellungen und schliefen während der fruchtbaren Tage ihres Zyklus miteinander, doch es nützte nichts. Iris nahm warme Bäder, kalte Bäder, rieb sich mit Margarine ein, aß einen ganzen Monat lang nichts anderes als Eier. Nichts schien zu fruchten. Ich besprach die Sache mit Prok, der mich zu einem ihm bekannten Spezialisten in Indianapolis schickte. Der untersuchte mich gründlich und bat mich sogar in das Hinterzimmer seiner Praxis, damit ich mir meine Spermien unter dem Mikroskop ansehen und beruhigt sein konnte, daß in dieser Hinsicht alles in Ordnung war. Prok und ich glaubten allmählich, daß es an Iris lag, und auch sie wurde untersucht, von einem Gynäkologen, den Prok ihr empfohlen hatte, demselben, der zwanzig Jahre zuvor Mac geholfen hatte, und dieser kam zu dem Schluß, Iris sei vollkommen normal und imstande, Kinder zu bekommen. Was also war das Problem? Was machten wir falsch? Keiner von uns wußte es, aber Prok hatte eine Ahnung und äußerte sie mit typischer Unverblümtheit.
    Nachdem er das Untersuchungsergebnis gelesen hatte – wir waren im Büro, wo er mit gerunzelter Stirn vor sich hin murmelnd auf und ab gegangen war –, winkte er mich zu sich. Vielleicht regnete es an jenem Tag, ich weiß es nicht mehr, aber Regen hätte gut gepaßt: Immerhin war Regen ein Symbol der Hoffnung und der Fruchtbarkeit. Ich brauchte etwas Positives, denn ich machte mir Vorwürfe und fühlte mich unzulänglich, unfähig, selbst in diesem Punkt ein Versager. Wir standen am Fenster und sahen hinaus auf den Campus. »Du darfst den aleatorischen Faktor nicht unterschätzen«, sagte Prok schließlich.
    »Wie bitte?«
»Jedes einzelne deiner Millionen von Spermien muß sich durch Gebärmutter und Eileiter kämpfen, ob nun ein Eisprung stattgefunden hat oder nicht. Das heißt also: natürliche Auslese im Mikrokosmos eines weiblichen Bauchs ...«
Ich sah ihn verwirrt an.
»Der Zufall, John, der Zufall. Versucht es weiter, das ist alles, was ich euch raten kann.«
Inzwischen hatte unsere Suche nach frischen Kräften für unser Institut Erfolge gezeitigt. Jetzt, da der Krieg zu Ende war, bewarben sich eine Reihe qualifizierter Kandidaten, und wir führten einige ernsthafte Einstellungsgespräche. Jeder Bewerber wurde mit Frau und Kindern eingeladen – den Frauen galt Proks besondere Aufmerksamkeit, nicht nur im Hinblick auf irgendwelche Verklemmtheiten, sondern auch um festzustellen, ob sie verläßlich und diskret waren –, und Prok zeigte ihnen die Räumlichkeiten, veranstaltete ihnen zu

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