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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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Laub im Wind. Hinter uns hörten wir die Fehlzündung eines Motors, die anderen Gäste brachen ebenfalls auf. »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Überzeugend vielleicht.«
    »Überzeugend? Wie meinst du das?«
    »Er kann gut reden. Sehr gewandt. Er wird bestimmt mal ein umwerfender Interviewer.«
»Höre ich da einen leisen Anklang von Sarkasmus?«
Sie wandte mir ihr Gesicht zu, ein kaltes, blasses Oval aus reflektiertem Licht, dann sah sie wieder auf ihre Füße. »Nein, gar nicht«, sagte sie. »Ich denke nur praktisch. Er ist ideal. Er wird dich ersetzen, ohne daß es auch nur –«
»Er wird mich nicht ersetzen.«
»Ist dir aufgefallen, wie Kinsey ihn angesehen hat?«
Ich zitterte. Der Mantel war zu dünn, und der Wind stach durch meine Hose. Ein Schauer überlief mich. Ich sah Corcorans Gesicht, sah Prok, der sich den ganzen Abend nie weit von ihm entfernt hatte, so stolz, als hätte er ihn persönlich zur Welt gebracht, und im selben Augenblick wußte ich, daß zwischen ihnen etwas war, nämlich dasselbe wie zwischen Prok und mir. Es kam über mich: Mit einem Mal war ich wütend. Eifersüchtig. »Na und?« sagte ich. »Was geht mich das an? Ich sage dir doch, wir brauchen mehr Mitarbeiter.«
Iris erwiderte nichts. Unter unseren Füßen knisterten die Blätter. Dann sagte sie: »Aber er ist wirklich überzeugend.«
»Tatsächlich«, sagte ich, und ich dachte an nichts, an gar nichts. »Wovon hat er dich denn überzeugt? Das würde ich gern wissen. Wirklich.«
Wir waren am Ende des Blocks angekommen und bogen nach rechts in Richtung Campus ab. Der Wind fegte ungehemmt um die Ecke. Zwei Autos fuhren vorbei, so dicht hintereinander, als würde das zweite abgeschleppt. Sie überrollten einen Ast, den der Wind auf die Straße geweht hatte – ein Krachen wie von mehreren kleinen Explosionen. »Meine Geschichte beizusteuern«, sagte Iris. Ich dachte, ich hätte sie nicht richtig verstanden, und fragte: »Was?«
»Meine Geschichte beizusteuern. Bei Kinsey.«
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Seit Monaten hatte ich ihr in den Ohren gelegen, und nun hatte sie dieser Neue – dieser überzeugende Mensch, dieser Corcoran – in wie viel ... ? in zehn Minuten rumgekriegt? »Gut«, sagte ich wie betäubt. »Das ist gut. Aber wie ... Ich meine, warum hörst du auf ihn, wenn dein eigener, na ja, dein eigener Mann dich nicht überzeugen kann? Und nach so langer Zeit?«
Die Rücklichter der beiden Wagen vor uns entfernten sich. Am Campus bogen sie beide nach rechts in die Atwater Street ein und waren verschwunden. »Aus seinem Mund klang alles ganz vernünftig«, sagte sie. »Für den Erfolg des Projekts, wie du immer gesagt hast. Seine Frau hat schon einen Termin für ein Interview – also, wenn du das nächste Mal nach South Bend fährst... Wer weiß, vielleicht machst du ja ihre Befragung. Wäre das nicht toll? Dann bleibt es in der Familie.«
»Worauf willst du hinaus? Das ist doch nichts Schlimmes ...«
»Kinsey hat gesagt, er verschafft ihm eine Zurückstellung.«
Wir gingen schweigend weiter. Natürlich würde Prok ihm eine Zurückstellung verschaffen. Mir ebenfalls, aber das diente dem Projekt und hatte nichts damit zu tun, ob unsere Frauen ihre Geschichte beisteuerten oder nicht. Ich hätte hocherfreut sein sollen. Es war Corcorans erster Tag bei uns, und er hatte Iris überzeugt, um des Teamgeists willen mitzumachen, und das war wunderbar, das war großartig, lobet den Herrn, doch ich war nicht hocherfreut, sondern sauer. »Das hat nichts damit zu tun«, sagte ich.
Vor uns ragten die Universitätsgebäude auf. Hier und da brannte noch Licht, und in der Schwärze der Nacht bildeten diese beleuchteten Fenster ein unregelmäßiges Muster. Der erfrorene Rasen und dürres Laub knirschten unter unseren Schritten. »Was ist mit Mac?« sagte sie dann.
»Mac?« wiederholte ich. Ich verstand nicht, worauf sie hinauswollte. »Wie meinst du das? War Mac auch dabei? Hat sie dich auch überzeugt – oder dabei geholfen? Meinst du das?«
»Nein. Mac als Ehefrau. Als eine aus dem engsten Kreis. Jetzt wird der engste Kreis aus drei Männern und ihren Ehefrauen bestehen – wenn ich Prok meine Geschichte erzähle und wenn er dir eine Zurückstellung verschafft.«
»Das wird er«, sagte ich, nur um etwas zu sagen, um das Gespräch in Gang zu halten. »Ich meine, er hat schon Briefe geschrieben. Er tut sein Bestes.«
»Aber was ist mit Mac?« wiederholte sie. Wir steuerten auf das Studentinnenwohnheim zu. Unter dem Bogen des Eingangs

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